„Für wen haltet ihr mich?“

01. Okt 2023

Jesus fragt (10): Mk 8,28

Wer auf eine Frage die richtige Antwort gibt, hat vermutlich auch den Sinn der Frage verstanden. In Glaubensdingen ist das nicht selbstverständlich.

„Für wen haltet ihr mich?“

Es lohnt sich, bei der Lektüre des Markusevangeliums darauf zu achten, wie Menschen Jesus ansprechen oder titulieren. Dabei kann man merken, dass es eine eigenartige Zurückhaltung mit den Titeln „Christus“ und „Sohn Gottes“ gibt. Das verwundert, denn das Evangelium beginnt mit der Überschrift „Anfang des Evangeliums von Jesus Christus, Gottes Sohn“ (Mk 1,1). Das weckt bei uns die Erwartung, dass in diesem Buch diese Glaubenswahrheit erklärt wird. Diese Erwartung wird noch durch die Erzählung von der Taufe Jesu im ersten Kapitel verstärkt. Jesus hörte dabei eine Stimme aus dem Himmel: „Du bist mein geliebter Sohn“ (Mk 1,11). Doch diese Szene ist gleichsam wie aus einer anderen Welt. Dieser Zuspruch war für Jesu Ohren bestimmt.
Im weiteren Verlauf der Erzählung sind es dann zunächst nur Gottes Widersacher, die Dämonen, die Jesus als „der Heilige Gottes“ (Mk 1,24) oder „Sohn Gottes“ (Mk 3,11) bezeichnen. Eigenartig; warum sprachen gerade sie die Wahrheit aus, die von den Menschen noch nicht erkannt wurde? Jesus verbot ihnen, so über ihn zu sprechen. Wollte er denn nicht als Sohn Gottes erkannt werden?
Er schien sich wohler mit den Anrede „Meister“ zu fühlen, die seine Jünger und andere Leute für ihn verwendeten. Wenn er von sich selbst sprach, bevorzugte er aber den Ausdruck „Menschensohn“.

Im achten Kapitel wird dann erzählt, wie Jesus seine Jünger darüber befragte, für wen ihn die Menschen eigentlich hielten. Sie berichteten, was sie gehört hatten: „Einige für Johannes den Täufer, andere für Elija, wieder andere für sonst einen von den Propheten“ (Mk 8,28). Jesus ließ das unkommentiert stehen, richtete die Frage dann aber ganz persönlich an seine Jünger: „Ihr aber, für wen haltet ihr mich?“ (Mk 8,29). Es war Simon Petrus, der gleich eine Antwort gab: „Du bist der Christus!“. Es war die richtige Antwort, er sagte genau das, was auch wir im Credo immer wieder bekennen und was zuvor in der Überschrift des Buches über Jesus gesagt wurde. Doch auch Petrus verbot Jesus, so über ihn zu sprechen. Kurz darauf durften Petrus und zwei andere Jünger Jesus mit ganz anderen Augen sehen. Auf dem Berg sahen sie ihn im Licht seiner himmlischen Herrlichkeit. Und wieder war eine Stimme aus dem Himmel zu hören: „Dies ist mein geliebter Sohn, auf ihn sollt ihr hören.“ (Mk 9,7). Beim Abstieg vom Berg verbot Jesus den Jüngern, anderen von ihrem Erlebnis zu erzählen.

Über diese Verbote haben Bibelwissenschaftler viel diskutiert. Warum wollte Jesus nicht, dass seine göttliche Herkunft bekannt würde? Der Titel, den Jesus für sich selbst gebrauchte, gibt uns den entscheidenden Hinweis. Er wollte als „Menschensohn“ erkannt werden. Menschliches Leben besteht nicht nur aus Erfolgen, aus Glanz und Gloria. Zum Menschsein gehören Leiden und Sterben, so sehr wir das auch aus dem Bewusstsein zu verdrängen suchen. Als Jesus nach dem Messiasbekenntnis des Petrus offen davon sprach, dass auf ihn selbst Leiden und Sterben warteten, wurde er von Petrus heftig kritisiert. Doch Jesus wies ihn öffentlich zurecht: „Tritt hinter mich, du Satan! Du hast nicht das im Sinn, was Gott will, sondern was die Menschen wollen.“ (Mk 8,33).

Jesus ist der Messias, der Erlöser. Er macht auch einige Kranke gesund. Aber er schafft das Leiden und den Tod nicht aus der Welt. Er geht ihm auch selbst nicht aus dem Weg, sondern nimmt das Leiden auf sich, ohne an Gottes Liebe zu zweifeln. Er will, dass wir wie er selbst Ja zu Gottes Willen sagen, obwohl das unseren eigenen Wünschen oft grundlegend widerspricht. Das Licht der göttlichen Herrlichkeit zeigt sich dann in der dunkelsten Stunde, als Jesus am Kreuz hängt und stirbt. Ein römischer Hauptmann, der ihn sterben sieht, hat die intuitive Erkenntnis: „Wahrhaftig, dieser Mensch war Gottes Sohn.“ (Mk 15,39). Jetzt erst wird klar, was der Titel des Buches uns sagen wollte: „Evangelium von Jesus dem Christus: Gottes Sohn“ (Mk 1,1). Die ersten Christen erkannten: „Sein Leben war das eines Menschen, er erniedrigte sich und war gehorsam bis zum Tod, bis zum Tod zum Kreuz. Darum hat ihn Gott über alle erhöht ...damit jeder Mund bekennt: Jesus Christus ist der Herr…“ (Phil 2,7-11).

Ralf Huning SVD

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