„Meinst du, ich bin wie du?“

01. Dez 2022

Gott fragt den Menschen (12): Psalm 50,21

Am Ende des Jahres wird Bilanz gezogen. Was war gut? Was sollten wir ändern? Wie ist unser Leben aus der Sicht Gottes zu bewerten?

„Meinst du, ich bin wie du?“

Unsere Gebete sind meist eine recht einseitige Angelegenheit. Wir sprechen – laut oder in Gedanken – und unser Gegenüber scheint zu schweigen. Es besteht so die Gefahr, sich in trügerischer Sicherheit zu wiegen. Ich bete ja regelmäßig, ich gebe Spenden, tue also Gutes – bei mir ist bestimmt alles in Ordnung. Was aber, wenn wir einer Selbsttäuschung erliegen?

Gott spricht zu uns durch seine Offenbarung. Er spricht auch durch die Ereignisse unseres Lebens, durch unsere Gedanken und Gefühle. Was würde er uns sagen, wenn er ganz direkt mit Worten zu uns spräche? Dieser Frage stellt sich Psalm 50. Vor dem inneren Auge des Beters erscheint Gott inmitten von Feuer und Sturm, so wie es beim Bundesschluss am Sinai gewesen war. Und Gott hält Gericht über seine „Frommen“, über alle, die durch ihr Opfer mit ihm den Bund schließen. Angesichts von Gottes Gerechtigkeit müssen sich alle Menschen kritische Bemerkungen anhören. Manche Frommen werden Anderes erwartet haben, bringen sie doch mit großem Eifer Brandopfer im Tempel dar. Doch Gott schaut auf die innere Haltung, in der dies geschieht. Wenn jemand meint, sich durch das Opfern von Tieren bei Gott Vorteile zu erkaufen, irrt er gewaltig. Die wilden Tiere im Wald, die Vögel am Himmel, das Vieh im Stall – sie alle sind doch Gottes Eigentum, er hat kein Interesse, dass wir sie schlachten, um so eine Opferleistung vorweisen zu können. Gott erwartet vielmehr etwas ganz Persönliches von den Seinen: ein „Opfer des Dankes“ (Ps 50,14) und aufrichtiges Vertrauen in Gottes Beistand und Hilfe.

Eine Gruppe von Menschen wird von Gott besonders kritisiert, die „Frevler“. Das sind Menschen, die zwar fromm reden, aber nicht nach Gottes Geboten handeln. Ihr Verhalten zeigt, dass sie dem Vorbild von Dieben, Ehebrechern und Betrügern folgen und Gottes Weisung grundlegend missachten. Gottes Kritik ist deutlich: „Das hast du getan und ich soll schweigen? Meinst du, ich bin wie du?“ (Ps 50,21) Dieser Frage müssen sich alle stellen, die sich zu Gott bekennen. Versuche ich wirklich, aus Gottes Perspektive zu denken, zu urteilen und zu handeln? Oder habe ich mir einen Gott nach meinem eigenen Geschmack geschaffen? Einen Gott, dessen Zuwendung man sich durch materielle Opfergaben erkaufen kann? Einen Gott, bei dem es reicht, ein paar fromme Floskeln im Mund zu führen?

Bei dem imaginären Gerichtsprozess in Psalm 50 werden keine Strafen verhängt. Alle werden auf Bewährung entlassen. Gott ermahnt, um uns den Weg zu einem gelingenden, heilen Leben zu zeigen. „Ich halte es dir vor Augen und rüge dich. Ihr, die ihr Gott vergesst, begreift es doch!“ (Ps 50,22). Damit wir es auch wirklich verstehen, fasst Gott am Ende noch einmal kurz zusammen, worin der rechte Gottesdienst besteht: „Wer Opfer des Dankes bringt, ehrt mich; wer den rechten Weg beachtet, den lasse ich das Heil Gottes schauen.“ (Ps 50,23) So einfach ist das.

Wenn wir am Jahresende Bilanz ziehen, haben wir im Psalm 50 einen Maßstab, an dem wir uns orientieren können. Bringt meine Weise, wie ich zu Gott spreche, echte Dankbarkeit zum Ausdruck? Und richte ich mich in meinem Handeln nach den zehn Geboten? Dann kann ich voll Zuversicht ins neue Jahr gehen.

Ralf Huning SVD

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