Pilgern und Wallfahren: Prof. Martin Lörsch füllt die Begriffe mit Leben

Deutschland

10. Okt 2025

Wovon ist die Rede, wenn es um Wallfahren und Pilgern geht? Im ersten Vortrag der aktuellen Reihe der Akademie Völker und Kulturen hat Prof. Martin Lörsch die Begriffe, Verständnisweisen und Praktiken dieses Themas dargelegt.

Pilgern und Wallfahren: Prof. Martin Lörsch füllt die Begriffe mit Leben

Professor Lörsch gab am 10. Oktober den Auftakt für die aktuelle Vortragsreihe „Pilgern und Wallfahren“. Bei dem lebhaften Vortrag des Pastoraltheologen am Steyler Missionspriesterseminar Sankt Augustin verging die Zeit für die 35 Teilnehmenden wie im Flug. 

Prof. Dr. Martin Lörsch (rechts) und Christian Tauchner SVD, Leiter des Steyler Missionswissenschaftlichen Instituts und Organisator der Akademie Völker und Kulturen.
Prof. Dr. Martin Lörsch (rechts) und Christian Tauchner SVD, Leiter des Steyler Missionswissenschaftlichen Instituts und Organisator der Akademie Völker und Kulturen.

Pilgern und Wallfahren ist eine jahrhundertealte religiöse Praxis der Menschheit. Aber es gibt auch Brüche in diesen Bräuchen: Im Alten Testament ist viel vom Wallfahren die Rede, es geht um Jerusalem. Mit dem Christentum ergab sich eine Verschiebung, weil einerseits im ersten Jahrhundert Jerusalem zerstört wurde, andererseits das Zentrum des Glaubens nicht mehr ein Gebäude war, sondern die Person Jesu Christi. Aber gerade durch das Lebenszeugnis der Jünger Jesu wurden wieder Orte interessant – die Gräber der Glaubenszeugen und Märtyrer.

Die ersten christlichen Pilgerreisen haben mit der Heiligen Helena zu tun, die vor 1700 Jahren in Jerusalem das Kreuz Christi fand – bei weitem nicht nur ein religiöses Ereignis, sondern die Mutter des Kaisers Konstantin hatte dabei durchaus auch politische Absichten.

Pilgern als geistlicher Prozess

Prof. Lörsch stellte aktuelle Untersuchungen zu Wallfahrt und Pilgern vor. Darin zeigt sich, dass es beim Wallfahren darum geht, ein Ziel zu erreichen, meist von Institutionen wie Pfarreien und Gruppen organisiert, in einer begrenzten Zeit und auch unter Verwendung von modernen Transportmitteln. Dagegen handelt es sich beim Pilgern vor allem um einen geistlichen Prozess, der sich auf dem Weg zu einem Ort ereignet und oft mit Fragestellungen zum Lebenssinn zu tun hat.

Seine Forschungsergebnisse verknüpfte Prof. Martin Lörsch mit lebendigen Berichten aus seiner eigenen Pilger-Erfahrung.
Seine Forschungsergebnisse verknüpfte Prof. Martin Lörsch mit lebendigen Berichten aus seiner eigenen Pilger-Erfahrung.

Dauer gehört zum Pilgern, wesentlich ist auch, mit eigenen Kräften weiterzukommen, also oft zu Fuß. Sowohl bei Pilgern wie Wallfahrern stellte die Forschung einen höheren Bildungsstand fest, aber bei Alter, Geschlecht, spiritueller Suche und der Beziehung zu einer Gemeinschaft ergeben sich oft bedeutende Unterschiede, legte Prof. Lörsch dar.

Auf dem Jakobsweg

Eine zentrale Bedeutung beim Pilgern nimmt Santiago de Compostela im Nordwesten Spaniens ein und Prof. Lörsch erklärte an diesem Pilgerzentrum viele Zusammenhänge mit der mittelalterlichen religiösen Praxis der Buße. Er selbst kam soeben erst von einem Pilgerweg im Süden Spaniens zurück und verwies auf Erfahrungen, die er auf diesem Weg gemacht hatte.

Gerade mit Santiago verbanden sich allerdings auch von Anfang an militärische und politische Zwecke – die Religion ist nicht immer gewaltfrei: Es ging um das militärische Zurückdrängen der Mauren vom 9. bis ins 15. Jahrhundert, dann gleich um die Conquista in Amerika. In beiden Zusammenhängen wurde der Apostel Jakobus vereinnahmt als Symbolfigur religiös legitimierter Gewalt. Mit der Reformation wurden die katholischen Praktiken des Pilgerns und der damit zusammenhängenden Missbräuche stark in Frage gestellt und das Pilgern verlor an Bedeutung.

Bei dem kurzweiligen Vortrag verging die Zeit für die 35 Teilnehmenden wie im Flug.
Bei dem kurzweiligen Vortrag verging die Zeit für die 35 Teilnehmenden wie im Flug.

Pilger der Hoffnung

Seit mehreren Jahrzehnten erfreuen sich Pilgerreisen nach Santiago und anderen Orten sowie zahlreiche Wallfahrten auf mehr lokaler Ebene wieder größerer Beliebtheit. Es lässt sich auch ein Pilgertourismus beobachten – Pilgern und Wallfahren sind zu wichtigen touristischen Unternehmungen geworden.

Trotzdem lässt sich aus dem Pilgern und Wallfahren für die Kirche viel entwickeln. Es geht um Hoffnungen, die sich auf verschiedene Weisen ausdrücken. Daher ist es auch so wichtig, dass das Heilige Jahr 2025 in der katholischen Kirche gerade auch unter dem Motto „Pilger der Hoffnung“ steht. Diese Vorstellung schließt an Aussagen des II. Vatikanischen Konzils an, das die Kirche als „pilgerndes Volk“ versteht. Prof. Lörsch stellte am Schluss seines Vortrags verschiedene Anknüpfungspunkte vor, die für eine Erneuerung und Veränderung der Kirche viele Möglichkeiten anbieten.

Text: Christian Tauchner SVD

Bilder: Sebastian Quillmann

Akademie Völker und Kulturen: Vorträge 2025/26

Die Akademie Völker und Kulturen bietet einer breiten Öffentlichkeit Vorträge zu religiösen und gesellschaftspolitischen Themen an. In jedem Winter wird ein bestimmtes Thema als Reihe von sechs Vorträgen von Experten behandelt. Für die Vortragsreihe 2025/26 lautet das Thema „Pilgern und Wallfahren“. Der nächste Vortrag, Romeria – Wallfahrt in Solidarität von Dr. Franz Helm SVD, findet am 14. November um 19:30 Uhr in Sankt Augustin statt. Näheres erfahren Sie auf der Webseite der Akademie Völker und Kulturen.  

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