Deutschland
21. Apr 2025
Können Sie sich Jesus als Tänzer vorstellen? Den Auferstandenen, tanzend auf dem zerbrochenen Kreuz? Pater Norbert Cuypers SVD ist auf ein Bild gestoßen, das ihn zum Nachdenken gebracht hat – über Ostern und die Lebensfreude.
Während meiner Exerzitien in der Nähe von Hildesheim entdeckte ich die Ikone eines leicht beschwingten, eines „tanzenden“ Jesus. Für mich war das am Anfang zugegebenermaßen ein etwas irritierendes Bild, dann aber wurde mir klar: Ja sicher, bei der Hochzeit von Kana wird Jesus nicht nur Wasser in Wein verwandelt haben. Er wird bestimmt auch getanzt haben.
Auf einmal fielen mir tatsächlich noch andere namhafte Persönlichkeiten aus der Bibel ein, die getanzt haben: Miriam beispielsweise, die Schwester von Moses; sie gilt auch als die „tanzende Prophetin“. Sie schlug die Pauke und tanzte nach der Befreiung Israels aus der Sklaverei in Ägypten.
Da ist der junge König David, der die Bundeslade (Gott unter den Menschen) nach Jerusalem bringt. Man stelle sich das mal bildlich vor, wenn ich jetzt tatsächlich vor dem Tabernakel tanzen würde… ein Skandal? Davids Frau Michal jedenfalls meinte, er habe sich zum Affen gemacht.
Als der sogenannte „verlorene Sohn“ zu Hause gefeiert wurde, hörte der zweite Sohn „Musik und Tanz“. Ob er in den Tanz der Barmherzigkeit des Vaters einschwingen konnte, ist nicht überliefert.
Aber sich ausgerechnet Jesus als Tänzer vorstellen? Der Ikonenmaler hat es gemacht. Beim zweiten Blick erkannte ich: Es ist der auferstandene Jesus, seine Wundmale sind klar im Bild zu erkennen – und die Kreuzesbalken sind zerbrochen.
Der Tod kommt todsicher. Tagtäglich sind wir von ihm umgeben. In der Ukraine, im Gazastreifen, aber auch in der Nachbarschaft oder in der eigenen Familie. Das kann uns tatsächlich die Lebensfreude rauben, weil uns bewusst wird: Das Leben ist keine Selbstverständlichkeit. Eher ein Geschenk, gratis gegeben.
Dürfen wir sie nicht gerade an Ostern spüren, die Lust am Leben? Das ist doch die Botschaft an Ostern: Die Liebe ist stärker als jeder Hass und das Leben stärker als der Tod. Wenn das stimmt und wenn wir das glauben können, dann sollten wir tanzen. Tanzen ist doch eine Quelle der Freude, Ausdruck höchster Lebenslust.
Paulus fragt im 1. Korintherbrief die Gemeinde und damit auch uns: „Tod, wo ist dein Sieg? Tod, wo ist dein Stachel?“ Und der Kirchenlehrer Augustinus meint: „Mensch lerne tanzen, sonst wissen die Engel im Himmel nichts mit dir anzufangen.“
Und dann ist da noch die französische Schriftstellerin und katholische Mystikerin Madeleine Delbrêl, die folgende Zeilen schrieb, die letztlich doch auch zu der frohen, frohmachenden Botschaft von Ostern passen:
Wenn wir wirklich Freude an dir hätten, o Herr,
könnten wir dem Bedürfnis zu tanzen nicht widerstehen.
Um gut tanzen zu können,
braucht man nicht zu wissen, wohin der Tanz führt.
Man muss ihm nur folgen,
darauf gestimmt sein, schwerelos sein.
Und vor allem: man darf sich nicht versteifen,
sondern ganz mit dir eins sein – und lebendig pulsierend
einschwingen in den Takt des Orchesters,
den du auf uns überträgst.
Wir haben so oft die Musik deines Geistes vergessen,
wir vergessen, dass es monoton und langweilig
nur für grämliche Seelen zugeht,
die als Mauerblümchen sitzen am Rand
des fröhlichen Balls deiner Liebe.
Lehre uns, jeden Tag die Umstände unseres
Menschseins anzuziehen wie ein Ballkleid.
Gib, dass wir unser Dasein leben
nicht wie ein Schachspiel, bei dem alles berechnet ist,
nicht wie einen Lehrsatz,
bei dem wir uns den Kopf zerbrechen,
sondern wie ein Fest ohne Ende,
bei dem man dir immer wieder begegnet,
wie einen Ball, wie einen Tanz,
in den Armen deiner Gnade,
zu der Musik allumfassender Liebe.
Gedicht: Madeleine Delbrêl
Text: Norbert Cuypers SVD