Das Zeichen des Kreuzes: Ein Weg aus der religiösen Sprachlosigkeit

Deutschland

19. Apr 2025

Es fällt Christen heute schwer, so über ihren Glauben zu sprechen, dass andere verstehen: Jesu Erlösungstat ist auch für sie eine Frohe Botschaft. Wo Worte fehlen, kann Zeichensprache helfen – etwa die Geste des Kreuzzeichens.

Das Zeichen des Kreuzes: Ein Weg aus der religiösen Sprachlosigkeit

Eine der größten Herausforderungen für uns Christen heute ist es, unseren Glauben so ins Wort zu fassen, dass unsere Mitmenschen dies verstehen können und begreifen, dass Jesu Erlösungstat auch für sie eine Frohe Botschaft ist, die ihrem Leben Sinn gibt.

Offenbar gelingt das nur selten. Viele Menschen haben sich von der Kirche abgewandt, und sagen, dass sie mit dem, was die Kirche lehrt, nichts anfangen könnten. Aber auch viele, die noch zur Kirche kommen, leiden unter einer religiösen Sprachlosigkeit. Ihnen ist zwar die offizielle Sprache des Glaubens bekannt, aber sie ist ihnen nicht als ihre persönliche Sprache zu eigen geworden; sie steht ihnen nur wie eine unzulänglich erlernte Fremdsprache zur Verfügung.

Man versteht einigermaßen, aber man kann selbst nur notdürftig sprechen. Über ein passives Vokabular kommen viele nicht hinaus. Doch ein sprachloser Glaube ist ein zutiefst gefährdeter Glaube. Glaube will nicht nur gelebt, er will auch im Bekenntnis ausgesprochen werden. Zum lebendigen Glauben gehört, dass über ihn nachgedacht und dass er ins Wort gebracht wird. Zwar ist Glaubensverwirklichung weit mehr als das Reden von Gott. Aber wenn das biblische Wort gilt: „Wovon dein Herz voll ist, davon geht der Mund über“ (Mt 12,34), dann gilt auch das Umgekehrte: Wovon ich nicht sprechen kann, das kann auch nicht klarer Besitz in meinem Herzen sein. Das kann nicht die Mitte meines Lebens werden.

Das Kreuzzeichen: Glauben ausdrücken mit einer Geste.
Das Kreuzzeichen: Glauben ausdrücken mit einer Geste.

Erlernen einer Zeichensprache

Was tun Menschen, die nicht sprechen können? Sie erlernen eine Zeichensprache, um sich mit Händen und Gesten ausdrücken zu können. Vielleicht sind wir in unserer Kirche an einem Punkt, an dem wir uns wieder auf die Sprache der Gesten besinnen sollten, um durch sie neu zu lernen, von Gott zu sprechen. Unser Gottesdienst ist schließlich voll von solchen Gesten. Wir erheben uns, wir knien uns hin, wir falten die Hände und der Priester erhebt die Hände zum Himmel, wenn er betet.

Die Liturgie der Kar- und Ostertage ist besonders reich an solchen Zeichen. Am Karfreitag wird das Kreuz in besonderer Weise gezeigt und verehrt. Das Kreuzzeichen ist das wichtigste Zeichen unseres Glaubens, es ist ein Glaubensbekenntnis in Kurzform. Die Kartage sind eine Einladung, uns der Bedeutung dieses Zeichens neu bewusst zu werden.

Im Namen des Vaters: Es gibt etwas über uns

Wenn wir das Kreuzzeichen machen, geht unsere Hand zuerst nach oben und wir sagen: Im Namen des Vaters. Ursprung unseres Glaubens ist eine Erfahrung, die Menschen in allen Völkern und Kulturen machen. Sie spüren: Es gibt etwas, was viel größer ist als wir Menschen, was über uns ist. Seit frühester Zeit haben Menschen versucht, sich gegenüber diesem, was über ihnen ist, in rechter Weise zu verhalten. Tempel wurden gebaut, Opfer gebracht. Die Entdeckung des Volkes Israel war: Dieses etwas, was über den Menschen ist, ist ein Jemand, ist eine Person, ist der „Gott-mit-uns“ (JHWH). Gott ist über allem, was ist, aber er ist auch in allem. Er ist uns ganz nahe, so wie ein Vater.

Im Namen des Sohnes: Gott kommt zu uns

„Im Namen des Vaters“, wenn wir das gesagt haben, geht unsere Hand nach unten. Das Volk Israel erlebte: dieser Gott bleibt nicht für sich, er kommt zu uns herunter, er greift ein in unser Leben, er rettet uns aus der Gefangenschaft und führt in die Freiheit. Doch Gott beschränkte sich nicht auf dieses Eingreifen in die Geschichte. Gott geht viel weiter herunter, als jemals zu erwarten war: er wird selbst Mensch in Jesus Christus, er teilt die Armut des Menschseins, teilt das Leid, teilt den Tod. Daran erinnert uns unsere Hand, die ganz tief herunter geht, wenn wir sprechen: „Im Namen des Sohnes.“

Im Namen des Heiligen Geistes

Anschließend führen wir unsere Hand wieder nach oben. Wir bekennen: Dieser Jesus, der am Kreuz starb, blieb nicht unten im Tod, er wurde auferweckt zum Leben, er wurde von Gott verherrlicht, er kehrt zurück in den Himmel. Frucht der Auferstehung ist die Sendung des Heiligen Geistes, den die Jüngerinnen und Jünger an Pfingsten und dann immer wieder neu lebendig erfahren. Dieser Heilige Geist befähigt sie, Zeugen zu sein bis an die Grenzen der Erde. Daran kann uns unsere Hand erinnern, wenn wir sie beim Kreuzzeichen bis an die Grenzen unseres Körpers führen und sprechen: „Im Namen des Heiligen Geistes.“

Darstellung des dreieinigen Gottes am Altar der Oberkirche in St. Michael, dem Mutterhaus der Steyler Missionare. (Foto: Maciej Malicki SVD)
Darstellung des dreieinigen Gottes am Altar der Oberkirche in St. Michael, dem Mutterhaus der Steyler Missionare. (Foto: Maciej Malicki SVD)

Eine Bewegung: ein Gott

Es ist eine einzige Bewegung unserer Hand, wenn wir das Kreuzzeichen machen, so wie wir auch einen einzigen Gott anbeten. Einen Gott aber, der in sich Beziehung ist, der in sich Bewegung ist, Bewegung, die in der Hingabe des Sohnes nach unten führt, bis in die Abgründe des Menschseins. Bewegung, die nach außen führt in der Kraft des Heiligen Geistes.

Drei Steyler Orden – eine Sendung

Jemand, der sich ganz von dieser Dynamik Gottes ergreifen ließ, ist der Heilige Arnold Janssen. Das wird deutlich in der spirituellen Ausrichtung der von ihm gegründeten Ordensgemeinschaften. Vor 150 Jahren entstand die Gesellschaft des Göttlichen Wortes. Dieser Name ist bereits Programm: Es ging Arnold Janssen darum, der Sendung des Wortes Gottes zu folgen.

So wie das göttliche Wort Mensch wurde, den Weg von oben nach ganz unten ging, so sollen auch alle Missionare leben. Im Mittelpunkt unserer Sendung steht deshalb das Hinübergehen zu den Menschen,besonders den Armen und Leidenden. Wir sind berufen, Gott in seiner Hingabe zu folgen, wir sollen ganz Mensch werden.

Angestoßen von mehreren Frauen, die ihrer Berufung folgen wollten, gründete Arnold Janssen dann eine Gemeinschaft von Missionsschwestern. Ihr Name, Dienerinnen des Heiligen Geistes, betont die Sendung des Geistes, der uns Menschen zu Zeugen macht, bis an die Enden der Erde. Im Mittelpunkt der Sendung steht darum die Dynamik, das Hinausgehen, das Überwinden von Grenzen.

Der Geist betet in uns

Schließlich gründete Arnold auch noch eine ganz dem Gebet verpflichtete Gemeinschaft, die Dienerinnendes Heiligen Geistes von der Ewigen Anbetung. Sie betonen einen anderen Aspekt der Sendung des Heiligen Geistes. Sie ist nicht nur Sendung nach außen, sondern führt auch nach innen zur Gemeinschaft. Das wird auch deutlich, wenn wir das Kreuzzeichen machen und am Schluss unsere Hand zur Mitte des Körpers führen. Der Geist ist es, der in uns betet, auf den Geist müssen wir hören. Die beiden Steyler Frauenorden machen also in besonderer Weise deutlich, dass christliche Sendung bedeutet, dem Geist zu folgen durch Aktion und Kontemplation, in einer Sendung nach außen und nach innen.

Mission geht uns alle an

Die drei Ordensgründungen Arnold Janssens habeneine einzige Sendung. Jeder Orden setzt Akzente, aber alle müssen diese drei Aspekte verwirklichen, wenn sie ihrer Sendung treu sein wollen. Und diese Sendung ist auch nicht etwas, was nur die Steyler betrifft. Das Kreuzzeichen erinnert uns jeden Tag daran, dass das jeden angeht, der Christ sein will. Wir müssen ganz Mensch werden. An Jesus sehen wir: Wahres Menschsein zeigt sich nicht in Macht und Stärke, sondern in einer Bewegung nach unten, in Hingabe und Liebe, im Teilen mit den Armen und Notleidenden. Wir müssen uns vom Geist hinausführen lassen bis an die Enden der Erde, unseren Glauben unseren Schwestern und Brüdern mitteilen. Uns für das, was da draußen ist, interessieren. Nicht die Augen vor dem Elend von zwei Dritteln der Menschheit verschließen.

Und wir müssen uns vom Geist hineinführen lassen bis in das Innerste des dreieinen Gottes, damit wir zu Menschen werden, deren ganzes Leben erfüllt ist von der Liebe Gottes. Wie jeder das konkret lebt, ist individuell verschieden. Nicht jeder ist berufen, Ordensfrau oder Ordensmann zu werden. Doch alle sind wir berufen, Jesu Sendung bis an die Grenzen der Erde fortzuführen. Das Kreuzzeichen erinnert uns daran, dass Mission eine Aufgabe ist, die alle angeht.

Text: Pater Ralf Huning SVD

Titelbild: Pater Vaclav Mucha SVD

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