Deutschland
08. Jan 2025
Othmar Jessberger (89) sucht Gott im Atelier. Der Steyler Bruder schafft Gemälde, deren spirituelle Motive ausdrücken, was ihn in seinem Glauben bewegt. Seine Bilder regen in ihrer Aktualität zum Nachdenken an.
Bruder Othmars Bilder sind gemalte Gedanken. Gerechtigkeit und Frieden, Nächsten- und Gottesliebe, Einheit in Vielfalt der Religionen – das sind die Themen, die seinen kreativen Geist bewegen und zum künstlerischen Ausdruck antreiben.
Lieber Othmar, was bedeutet das Malen für dich?
Wenn ich etwas male, dann immer so, wie es mir gefällt. Aber nicht allen Leuten gefällt es. Für mich ist Malen wie ein Gebet. Als ich noch in Indonesien war, da kamen oft die Menschen in mein Atelier und sahen meine Bilder. Sie waren von ihnen sehr begeistert. Besonders von dem Bild „Maria, die Mutter aller Völker“. Sie verehren auch Maria und sie beten auch den Rosenkranz mit uns. Wir sollen es nicht zu streng sehen. Gott liebt alle Menschen und wir müssen uns auch gegenseitig lieben.
Gott liebt uns alle? Ja, das habe ich ihnen oft gesagt, das hörten sie sehr gern. Jesus ist für die Muslime der heiligste aller Propheten und Mohammed ist der erlauchteste aller Propheten, sagen sie. Gott will auch mal, dass wir zusammenkommen. Gott will, dass alle gläubigen Menschen eine Einheit werden. Wir müssen Harmonie und Vielfalt anstreben.
Wie würdest du die Gottessuche der Menschen definieren?
Wenn Gott nicht definierbar ist, dann ist es auch automatisch klar, dass die Gottessuche vielfältig sein muss und darf. Jeder Mensch hat eigene Begrenztheit, aber weil Gott nicht definierbar ist, muss die Suche nach ihm vielfältig sein. Gott geht über unseren Horizont hinaus. Man kann nicht sagen, dass die fremden Völker nicht zum richtigen Gott beten können. Sie können Jesus verstehen lernen. Ich habe mit den Jugendlichen und auch mit den Erwachsenen auf Flores viel diskutiert. Sie haben gern über Jesus gesprochen, und sie haben sich ja für Maria und Jesus ereifert. Es ist nicht so, dass man den Glauben buchstäblich halten und definieren muss.
Dein neustes Bild solle die Mütterlichkeit Gottes darstellen. Was hat dich dazu bewegt?
Ich nehme wahr, und die katholische Welt tut es ja auch, dass wir das Emotionale, das Mütterliche in der Verkündigung vernachlässigt haben, dass Gott nicht nur Vater ist, sondern auch Mutter. Der Indonesier braucht seine Mutter. Sie lieben einen Muttergott mehr als einen Vatergott. Das Mütterliche gilt der Gottheit, daher darf man es nicht wegdenken, als wenn es das gar nicht gäbe. Gott ist auch Mutter. Gott hat kein Geschlecht. Gott ist Geist. Und ich bin davon überzeugt, dass Er auch mütterlich und väterlich zugleich sein kann.
Was ist für dich das Mütterliche?
Mütterlichkeit ist mütterlich! Sie beinhaltet die Hingabe. Eine Mutter gibt alles für ihre Kinder und ihre Familie. Sie tut es aber anders als ein Vater. Gott hat dem Menschen Vater und Mutter gegeben. Beide besitzen charakteristische Verschiedenheit. Ich finde es aber auch wunderbar, wenn ein Vater mütterlich sein kann und eine Mutter väterlich. Mütterlichkeit oder Väterlichkeit bedeutet Hingabe.
Gibt es für dich einen Unterschied, mütterlich oder väterlich zu sein?
Ich habe die Indonesier sehr gern gehabt – vor allem die Kinder. Ich war zu sehr mütterlich. Wenn die Schule aus war, kamen die ganzen Kinder zu meinem Atelier und wollten malen. Und da habe ich sie auch so erzogen, dass sie mich kritisieren sollten, was in meinen Bildern gut war und was nicht. Das haben sie auch gemacht und das war nicht dumm. Sie haben meine Bilder kritisiert und ich habe auf sie gehört. Und ich habe sie für ihre Kritik gelobt, wenn sie mich getadelt haben. Wenn ich die Bilder dann verändert habe, dann kamen sie und sagten: Oh ja, jetzt ist es richtig. Ich habe den Kindern das Gefühl gegeben, dass ich sie mag und dass ich für sie da sein möchte wie eine Mutter.
Wie führst du mütterliche und väterliche Züge zusammen, wenn du Gottes Gesicht malst?
Ich weiß es noch nicht genau, aber wenn ich male, dann bete ich auch. Und wenn ich dann abends in meinem Zimmer bin oder in der Nacht im Bett liege, dann erinnere ich mich an Menschen, Männer und Frauen, die ich gerne habe, und ich schaue mir ihre Gesichter an. Dann male ich aus den männlichen und weiblichen Gesichtern der Indonesier ein Gesicht Gottes zusammen, in dem ich die Väterlichkeit und die Mütterlichkeit Gottes darstelle. Ich bin halt ein emotionaler Mensch und ich habe viele Menschen gern. Für mich zeigt sich die Schönheit eines Menschen in seinem Gesicht. Diese menschliche Schönheit motiviert mich, die Schönheit Gottes in einem Gesicht abzubilden.
Lieber Othmar, vielen Dank für deine Gedanken und für das Gespräch mit dir.
Interview und Bilder: Pater Václav Mucha SVD