Deutschland
Mexiko
06. Dez 2024
Wenn man Menschen ihre Würde zugesteht und ihnen als „Menschen wie wir“ begegnet, können sich unerwartet positive Entwicklungen ergeben. Darum ging es im Vortrag der Akademie Völker und Kulturen am 6. Dezember 2024.
Christian Tauchner SVD referierte unter dem Titel „Ihr seid wie wir! – Begegnungen in Mexiko vor 500 Jahren“ über Ereignisse in Mexiko unmittelbar nach der grausamen Eroberung und Zerstörung des Reichs der Azteken. Am Vortrag der Akademie Völker und Kulturen nahmen 35 Personen teil.
Im Jahr 1519 begann die Eroberung des aztekischen Reichs durch die spanischen Konquistadoren, eine Geschichte von Bündnissen, Missverständnissen, Verrat, Betrug und vor allem außerordentlicher Gewalt. In einen zweijährigen brutalen Kampf Haus um Haus wurde schließlich die Hauptstadt Tenochtitlán zerstört, viele Einwohner kamen ums Leben.
Schon wenige Jahre später kamen zwölf Franziskaner nach Mexiko und begannen 1524 Gespräche mit den überlebenden Noblen, Priestern und Theologen der Azteken über die Religion – das bekannte „Kolloquium der Zwölf“. Dabei versuchten sie den Azteken von Anfang an klarzumachen: „Wir sind Menschen so wie ihr!“ Das war ein entscheidender Unterschied zum Auftreten der spanischen Eroberer, die die Menschenwürde der Azteken völlig missachtet hatten.
Im Vortrag ging es um die Arbeit der Franziskaner in Mexiko, mit der Errichtung einer Diözese 1528 und vor allem dem franziskanischen Kolleg in Tlatelolco, einer Lateinschule und zusehends ein Zentrum für junge aztekische Intellektuelle in enger Zusammenarbeit mit Franziskanern wie Bernardino de Sahagún.
Im Dezember 1531 ereignete sich die Begegnung der vornehmen Frau Tonantzin Guadalupe mit dem Eingeborenen Juan Diego Cuauhtlatoatzin. Sie schickt ihn mit einer Botschaft zum Bischof, aber dort glaubt man ihm nicht – er ist ja nur ein „armer Wicht“, wie er der vornehmen Frau gegenüber beteuert. Aber sie besteht darauf: Es „ist sehr vonnöten, dass du selbst derjenige bist, der geht!“ Im Vortrag wurde der Bericht dieser Begegnungen kurz nacherzählt – gerade jetzt im Dezember finden die Wallfahrten zur Jungfrau von Guadelupe, der sogenannten „Morenita“, in der Hauptstadt Mexikos ihren Höhepunkt, eine der größten christlichen Wallfahrten weltweit.
Zusammenfassend ging es im Vortrag darum, dass die Anerkennung der Menschenwürde gerade unterdrückter und marginalisierter Menschen – durch die Franziskaner und durch die Liebe Frau von Guadalupe – bedeutende geschichtliche Folgen haben kann. Einerseits war die Arbeit des franziskanischen Kollegs von Tlatelolco von großer Bedeutung im Widerstand gegen die koloniale Herrschaft, andererseits wird die Identität aller Mexikaner (Atheisten eingeschlossen) und vieler Lateinamerikaner bis heute durch die Guadalupe wesentlich bestimmt und gibt ihnen ihr Selbstbewusstsein.
Text: Chritian Tauchner SVD