Einsames Leben und Sterben: „Es bricht mir das Herz“

Deutschland

20. Sep 2024

Pater Nhat ist Kaplan in München. Zum seinem Alltag dort gehören Beerdigungen, zu denen wenige Hinterbliebene kommen – oder sogar niemand. Das macht ihn traurig. Aus seiner Heimat Vietnam kennt er einen anderen Umgang mit dem Tod.

Auf dem letzten Weg nicht allein zu sein, ist in Deutschland keine Selbstverständlichkeit mehr. (Symbolbild: "Sterbender Josef" in St. Maria Magdalena, Goch)
Auf dem letzten Weg nicht allein zu sein, ist in Deutschland keine Selbstverständlichkeit mehr. (Symbolbild: "Sterbender Josef" in St. Maria Magdalena, Goch)

Mein Name ist Anthony Van Nhat Chu. Ich bin seit Februar 2024 Kaplan der Pfarreien St. Matthias und Wiederkunft des Herrn im Pfarrverband Fürstenried-Maxhof in München. Dort gestalte und feiere ich mit den Gläubigen Eucharistiefeiern, spende die Sakramente von der Taufe bis zur Krankensalbung und betreue Ministranten. Ich besuche auch die Gemeindemitglieder, vor allem ältere Menschen. Und ich übernehme Beerdigungen. Es gibt hier in München viele Beerdigungen. Das ist neu für mich. In meiner Heimat Vietnam hat eine Pfarrei jährlich etwa 10 bis 20 Beerdigungen.

Pater Anthony Van Nhat Chu SVD ist seit Februar 2024 Kaplan der Pfarreien St. Matthias und Wiederkunft des Herrn im Pfarrverband Fürstenried-Maxhof in München.
Pater Anthony Van Nhat Chu SVD ist seit Februar 2024 Kaplan der Pfarreien St. Matthias und Wiederkunft des Herrn im Pfarrverband Fürstenried-Maxhof in München.

Nicht ein einziger Angehöriger

Am 5. September habe ich eine Beerdigung übernommen, die mich sehr beschäftigt hat. Der Verstorbene hatte keine Angehörigen, beziehungsweise waren keine zu finden. Es war daher eine Bestattung von Amts wegen.

Das Bestattungsinstitut hatte angefragt, ob ich diese Beerdigung übernehme. Ich sagte zu. Zwei Tage vor der Beerdigung wurde mir mitgeteilt, dass der Bayerische Rundfunk die Beerdigung begleiten würde, um einen Beitrag über ehrenamtliche Begräbnisbegleiter zu drehen. Anfangs war ich sehr nervös, trotzdem habe ich nicht abgelehnt. 

Diese Beerdigung war meine erste Trauerfeier, bei der nicht ein einziger Angehöriger, Freund oder Nachbar dabei war. So eine Situation würde es in meiner Heimat nicht geben.

Liebevolle Feiern in Vietnam

In Vietnam organisieren wir eine liebevolle Abschiedsfeier in großer Gemeinschaft. Jede Beerdigung beginnt normalerweise mit einer Seelenmesse, zu der aus jedem Haushalt mindestens eine Person kommt. Danach wird der Verstorbene auf seinem letzten Weg von vielen Gläubigen begleitet. Auch wenn eine Person einsam gelebt hat, werden die Angehörigen von den Gruppen der Gemeinde besucht und einige Tage lang im Gebet begleitet.

"Gott sei Dank gibt es die Ehrenamtlichen"

Hier in Deutschland, in München, sind bei Beerdigungen meist nicht mehr als zehn Trauergäste anwesend. Ich finde das traurig und es hat mich anfangs erschüttert. In München gibt es jährlich über 200 Beerdigungen ohne Angehörige. Gott sei Dank gibt es die Ehrenamtlichen, die die Verstorbenen auf ihrem letzten Weg begleiten und für sie beten.

In München sterben jedes Jahr über 200 Menschen, die keine Angehörigen haben. Der Katholische Bestattungsdienst hat deshalb einen ehrenamtlichen Dienst aufgebaut, der diesen Verstorbenen das letzte Geleit gibt. 

Der Bayerische Rundfunk hat eine Ehrenamtliche begleitet. Pater Nhat hielt die Trauerfeier. Hier geht es zum TV-Beitrag der BR-Abendschau. 

Ich habe hier auch ein neues Wort gelernt, „anonym“. Jemand lebt sein Leben in Gemeinschaft, wird aber nach seinem Tod anonym bestattet. Kein Kreuz mit Namensschild, nichts erinnert mehr an diesen Menschen, fast so, als hätte es ihn nie gegeben. Ich persönlich wünschte mir, dass ich das Wort „anonym“ nie kennengelernt hätte.

Bei Beerdigungen ohne direkte Angehörige habe ich kein Trauergespräch. Deshalb rufe ich Nachbarn oder Mitmenschen des Verstorbenen an, um etwas über sein Leben zu erfahren. Ich hole diese Informationen ein, um eine Verbundenheit zum Verstorbenen aufzubauen und intensiv für ihn beten zu können.

"Der Tod ist nicht das Ende"

Manchmal gehe ich nach einer Beerdigung allein und bedrückt nach Hause. Ich denke dann noch lange an den Verstorbenen. Ich habe schon viele Beerdigungen übernommen. Es bricht mir das Herz, wenn Leute einsam leben und einsam sterben.

Für uns als Katholiken ist der Tod nicht das Ende, sondern auch der Beginn eines neuen Lebens bei Gott. Hier sind alle Menschen Schwestern und Brüder und niemand ist allein. Dieser unser Glaube ist mein großer Trost.

Von Pater Anthony Van Nhat Chu SVD

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