Deutschland
29. Aug 2024
Die Zukunft der Kirche in China war das Kernthema des 11. Europäischen Katholischen China-Kolloquiums in Siegburg. Wesentlich für diese Zukunft ist die Situation der jungen Generation. Deren Sorgen und Wünsche ähneln denen junger Menschen überall auf der Welt.
Über 100 Teilnehmende aus 13 Ländern und Regionen haben sich vom 22. bis 25. August 2024 im Katholisch-Sozialen Institut in Siegburg getroffen, um über die Zukunft der Kirche in China zu sprechen. Chinesen aus Festlandchina, Taiwan und Hongkong machten die Hälfte der Teilnehmer aus – darunter Priester und Ordensleute sowie christliche Laien, von denen viele derzeit als Studierende, Wissenschaftler oder Seelsorger in Europa leben. Zur Vielfalt des Dialogs trug bei, dass die Teilnehmenden verschiedenen christlichen Konfessionen angehörten.
Auf der Konferenz sprachen unter anderem der Kardinal Stephen Chow SJ, Bischof von Hongkong, sowie Monsignore Mirosław Wachowski, vatikanischer Untersekretär für die Beziehungen zu den Staaten. Der Kölner Kardinal Rainer Maria Woelki feierte eine heilige Messe mit den Teilnehmern der Konferenz. Das 11. Europäische Katholische China-Kolloquium wurde vom China-Zentrum organisiert, das seinen Sitz am Campus der Steyler Missionare in Sankt Augustin hat. Einige der Konferenz-Besucher, darunter Kardinal Chow, nahmen vor dem China-Kolloquium an einer Führung in Sankt Augustin teil, um das China-Zentrum und das Institut Monumenta Serica kennenzulernen.
Wie geht es jungen Menschen in China, in der Gesellschaft wie in der Kirche? Ihre Sorgen und Wünsche sind denen junger Leute anderswo auf der Welt oft ähnlicher als denen älterer Generationen in China, hieß es in mehreren Konferenzbeiträgen.
„Sie waren alle einmal jung. Was hat Sie interessiert? Was war für Sie von Bedeutung?“ Mit einem Aufruf, sich in die eigene Jugend zurückzuversetzen, zog Kardinal Chow die Zuhörer unmittelbar ins Thema seines Auftaktvortrags. Kardinal Chow, der sein berufliches Wirken als Lehrer begann, sammelte die Antworten aus dem Plenum: Freundschaft und Beziehung, Spaß haben, ein hoffnungsvoller Blick in die Zukunft. Chow ergänzt: „Über allem stehen die Fragen nach Identität und Sinn: Wer bin ich? Warum bin ich hier? Und bei allem, was von mir erwartet wird, die zentrale Frage: Warum soll ich das tun?“
Nach der Pandemie fühlen sich viele junge Chinesen erschöpft, deprimiert und ohne Orientierung. Hinzu kommt die Sorge, keine Arbeit zu finden. Anders als die Generation ihrer Eltern glauben sie nicht mehr daran, durch eigene Anstrengung einen immer höheren Lebensstandard erreichen zu können. Die Suizidrate unter Jugendlichen ist gestiegen. Gleichzeitig lehnen immer mehr junge Menschen in China ab, die traditionellen Erwartungen ihrer Eltern – Heirat, Familie, Karriere, Immobilie – zu erfüllen. Sie suchen in einer Welt voller Ungewissheiten nach dem „engen Tor“ zu ihrem eigenen, individuellen Lebensweg – so schilderte es eine junge Katholikin aus China.
Aus Taiwan berichtete die Jugendseelsorgerin Sun Shu-Kuan, dass manche Jugendliche seit der Pandemie den Mundschutz nicht mehr abnehmen wollen und sich auf ihr Handy zurückgezogen haben. Sie sind zunächst nur schwer dazu zu bewegen, Beziehungen aufzubauen und Gemeinschaft zuzulassen.
Während in Festlandchina die Regierung versucht, die Jugend von Religion fernzuhalten und vielfach die Beteiligung Minderjähriger an religiösen Aktivitäten verbietet, haben die Kirchen in Taiwan und Hongkong eigene Schulen und Universitäten und können vielfältige Jugendprogramme anbieten. Pater Robert Wong SVD, Studierendenseelsorger an der katholischen Fu-Jen-Universität in Taiwan, berichtete, dass er sein Büro in die Lobby eines Studentenwohnheims verlegte, um näher bei den Studierenden zu sein.
In Hongkong ist nach den großen Protesten von 2019 die Zahl junger Inhaftierter drastisch gestiegen. Für sie hat die katholische Diözese Hongkong das Projekt „Light up“ gegründet. Wie Kardinal Chow berichtete, hat es zum Ziel, den jungen Leuten im Gefängnis die Fortsetzung ihres Studiums zu ermöglichen, sie auf den Einstieg ins Arbeitsleben vorzubereiten und ihre Reintegration in die Gesellschaft zu unterstützen.
„Wir müssen diesen jungen Menschen wieder das Gefühl geben: Ihr seid geliebt, Ihr seid Teil der Gesellschaft, Ihr könnt es schaffen“, sagte Kardinal Chow. Die Hongkonger Gesellschaft brauche Versöhnung und Heilung, so der Kardinal. Zudem sei die massive Emigration aus Hongkong auch in den Pfarreien spürbar. Oft wandern 40- bis 45-jährige Paare mit ihren Kindern aus, darunter viele Laienführer. „Deshalb müssen wir den Staffelstab an die Jungen weiterreichen, aber viele fühlen sich noch nicht bereit“, beschreibt Chow. „Wir können ihnen die Gelegenheit geben, Teil von etwas zu sein, die Zukunft zu gestalten. Kirche muss den jungen Leuten Hoffnung geben.“
Bruno Lepeu MEP, ein in Hongkong tätiger französischer Priester, zog aus seiner Befragung junger engagierter Katholiken in Festlandchina hoffnungsvolle Schlüsse. Während die Kirche in China noch sehr klerikal sei, wünschen sich nach Lepeus Beobachtung die jungen Leute eine geschwisterliche Kirche, in die sie sich aktiv einbringen können. Damit erneuert die Jugend die Kirche, so Lepeu.
von Katharina Wenzel-Teuber und Sebastian Quillmann
Die Galerie zeigt Impressionen der Führung mit den Teilnehmenden durch das China-Zentrum, das Institut Monumenta Serica, die Seminarkirche in Sankt Augustin sowie Bilder des ersten Konferenz-Tages.