Zielgerichtet nach vorne blicken

Deutschland

05. Jun 2023

Seit dem 1. Mai 2023 leitet Pater Dr. Peter Claver Narh SVD die Provinz der Steyler Missionare in Deutschland. In diesem Interview erklärt er, wie er sich die Zukunft der Ordensgemeinschaft vorstellt.

Renate Breuer im Gespräch mit Pater Peter Claver Narh SVD

Pater Peter Claver Narh SVD hat am 1. Mai 2023 das Amt des Provinzials der Deutschen Provinz der Steyler Missionare angetreten, als erster nichtdeutscher Provinzial, wie in Pressemitteilungen zu lesen war. Wie war der Start für Sie?
Ich finde es spannend, dass es für manche eine kleine Sensation zu sein scheint, dass erstmals seit Arnold Janssen und seiner Ordensgründung vor fast 150 Jahren ein Nichtdeutscher dieses Führungsamt in der deutschen Provinz übernommen hat. Bei mir löste dieser Gedanke erst einmal nicht so viel aus, weil es für mich normal war und ist, als Mitbruder hier zu sein. Ich bin seit dem 29. Oktober 2001 in Deutschland, fühle mich zugehörig und sehe mich einfach als einen von vielen Mitbrüdern. Aber da man es immer wieder einmal hört, scheint es für einige doch ein Thema zu sein. Neulich rief mich jemand aus meinem Freundeskreis an, der diese Meldung gelesen hatte, und meinte: „Wie erstaunlich, dass dieses Thema bei euch aufkommt, denn eigentlich müsste bei euch Steyler Missionaren die Herkunft doch gleichgültig sein. Ihr seid ja nicht wie andere Ordensgemeinschaften, die erst jetzt beginnen, Leute aus anderen Ländern hierher zu holen. Bei euch war das von Anfang an gang und gäbe und es überrascht mich, dass es bei euch doch nicht für alle so normal zu sein scheint.“ Ich persönlich denke, dass das bei den meisten von uns in der Theorie klar ist, aber wir müssen weiterhin daran arbeiten, dass Interkulturalität auch in der Praxis ein Teil von uns wird. Es ist meine Hoffnung, dass wir es schaffen werden, Menschen als Menschen zu betrachten, dass es uns zu leben gelingt, was im Galater-Brief (3,28) steht: „Es gibt nicht mehr Juden und Griechen, nicht Sklaven und Freie, nicht Mann und Frau; denn ihr alle seid einer in Christus Jesus“. Für viele Mitbrüder ist unsere Interkulturalität mit all ihren Konsequenzen eine Selbstverständlichkeit, was ich sehr schätze! Ich nehme aber wahr, dass für manche ein nichtdeutscher Provinzial gewöhnungsbedürftig ist. Ich nehme diese Menschen und ihre Gefühle ernst. Es ist etwas Neues und da braucht es Vertrauen.

Was bedeutet Interkulturalität für Sie?
Interkulturalität ist für mich eine Situation, wo zwei oder mehr Kulturen zusammenleben und wo ein Austausch zwischen diesen Kulturen stattfindet. Austausch bedeutet ja, dass jede Kultur etwas von sich gibt und etwas von der anderen annimmt; in unserem Fall, dass jeder Mitbruder sich an diesem Geben und Nehmen beteiligt. Leider ist es aber oft so, dass viele von Interkulturalität reden, aber eigentlich meinen, dass die anderen sich anpassen sollten. Das ist nicht nur in unserer Provinz so, sondern auch woanders. Man meint, Minderheiten müssten sich anpassen. Aber wir reden hier nicht von Anpassung und erst recht nicht von Assimilation. Interkulturalität ist vielmehr eine gegenseitige Bereicherung. Sie bedeutet, dass man einander respektiert und voneinander lernt.

Nun war es zunächst ja auch für Sie eine Herausforderung, sich in eine andere Kultur einzuleben, die Sprache zu erlernen und zurechtzukommen. Liegt Ihnen die deutsche Mentalität?
Grundsätzlich kann ich sagen, dass mir die deutsche Kultur liegt. Psychoanalytisch betrachtet ist es so, dass ein Mensch, bewusst oder unbewusst, meist auch einen Beruf wählt, in dem er sich wiederfindet, der ihm liegt. Ich fühle mich relativ wohl in diesem Kulturkreis und in meiner Arbeit als Steyler Missionar. Ich bin froh, dass ich meine Persönlichkeitsstruktur in diesem Kulturkreis leben kann.

Wie ist es für Sie, ein „Primus inter Pares“ zu sein, ein Mitbruder unter Mitbrüdern, der aber gleichzeitig eine besondere Verantwortung zu tragen hat?
Wenn man eine Aufgabe hat, soll man diese auch wahrnehmen und erfüllen. Wenn man in der Leitung ist, muss man auf zwei Ebenen agieren: auf der einen Seite gleichauf mit den Mitbrüdern, mit Empathie und Verständnis versuchen zu begreifen, was sie meinen und wollen und gemeinsam mit ihnen unterwegs sein. Das Wohlergehen der Mitbrüder ist mir ein großes Anliegen. Wenn Mitbrüder zufrieden sind und in einer guten Umgebung leben, können sie ihren Dienst besser erfüllen. Diese Zufriedenheit, diese Freude steckt an und wirkt sich auf das gesamte Leben aus. - Auf der anderen Seite muss der Provinzial eine Leitungsfunktion wahrnehmen und von dieser Perspektive aus die Dinge betrachten. Der Leiter muss in der Lage sein, diese beiden Ebenen in Einklang zu bringen. Und natürlich ist es wichtig, dass wir unsere Ziele gemeinsam verfolgen und möglichst alle an einem Strang ziehen.

Wie hat die Abschottung der Pandemie – persönlich wie gesellschaftlich - die Dinge verändert und wie kann der Orden wieder verstärkt Außenaktivitäten aufnehmen, vielleicht sichtbarer werden?
Die Corona-Zeit war eine Herausforderung für alle, auch für uns Ordensleute, für uns Missionare, die wir eigentlich rausgehen und auf Menschen zugehen. Das ist jetzt wieder möglich und viele Mitbrüder haben längst wieder angefangen, die normalen Kontakte zu leben. Das ist für uns wichtig sowohl ad intra, also nach innen, wie wir es am 1. Mai anlässlich des Provinztags hier in Sankt Augustin getan und was wir alle als Bereicherung empfunden haben. Wir werden uns auch wieder öfter besuchen, das habe ich mir persönlich vorgenommen und es stehen schon die ersten Termine an und weitere werden folgen. Ad extra, das heißt nach außen, werden wir versuchen, mit den Menschen ins Gespräch zu kommen.

Wie geht es jetzt weiter in diesem Triennium, gibt es Ziele oder Pläne?
Das erste Ziel, oder besser die erste Etappe ist, mich in meinem neuen Amt zu orientieren. Das mache ich seit dem 1. Mai. Ich nehme Kontakt mit den Mitbrüdern auf, aber auch mit offiziellen Stellen und schaue nach vorne. Ich bin ja nicht alleine, sondern wir sind gemeinsam auf dem Weg. Mit meinem Rat, der aus 4 Mitbrüdern besteht, und mit den anderen Mitbrüdern in der Provinz möchte ich über gemeinsame Ziele reden und mit ihnen versuchen, diese Ziele gemeinsam zu erreichen. Und das in einer Zeit, in der es tatsächlich viele Herausforderungen gibt, wo Aufbrüche anstehen. - Im Sekretariat unterstützt mich seit dem 1. Mai Frau Renate Breuer dabei, Dinge auf den Weg zu bringen, worüber ich dankbar bin. Die Realität fordert uns, aber wir haben den Beistand des Heiligen Geistes, den wir an Pfingsten empfangen haben. Auch darauf dürfen wir vertrauen.

Vielen Dank für das Gespräch, Pater Peter.

Renate Breuer

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