Der synodaler Weg

Deutschland

27. Mai 2023

Der Synodale Weg ist in Deutschland auf großes mediales Interesse gestoßen und von der Öffentlichkeit verfolgt worden. Die Steyler Missionsschwester Bettina Rupp SSpS war als Delegierte dabei und hat uns Fragen dazu beantwortet.

Der synodaler Weg

Mit welcher Erwartung sind Sie in den Prozess des Synodalen Weges hineingegangen?
Ich war wirklich sehr gespannt, wie es sein würde, mit so unterschiedlichen Menschen an einem „großen“ Tisch zu sitzen und jenseits von Hierarchien zu diskutieren, sich austauschen zu können und neue Wege zu suchen.

Wurde diese Erwartung erfüllt?
Zunächst einmal hat mich überrascht - vielleicht war ich auch etwas zu naiv gewesen - wie hierarchisch unsere Kirche wirklich strukturiert ist, dass sie eher in einer Monarchie als in demokratischen Strukturen und Mitbestimmung verhaftet ist. Aber dann folgte schnell die zweite Überraschung, nämlich, dass die Synodalversammlung versuchte, diese Hierarchien aufzubrechen und Augenhöhe zu schaffen. Bischöfe saßen neben BDKJ`ler`/-innen. Feminist/-innen neben Bewahrer/-innen und so weiter, denn schon die alphabetische Sitzordnung ließ keine Rangordnung zu.

Wie kam es zu Ihrer Teilnahme?
Ich wurde als eine von 10 Ordensleuten von der Deutschen Bischofskonferenz und vom ZdK ausgewählt, als Delegierte am Synodalen Weg teilzunehmen. Über Livestreams und die Seite www.synodalerweg.de war der gesamte Prozess aber so transparent gestaltet, dass im Grunde alle Interessierten teilnehmen konnten und bis heute kann sich jede/r über alle Texte und Statements informieren.

Wie war es für Sie?
Er gab für mich so manche Überraschungen, Höhepunkte, schmerzliche Erkenntnisse, aber nicht zuletzt bestärkte dieser Weg auch meine Hoffnung für eine Kirche, die den Menschen aus den Lebensimpulsen des Evangeliums dient.

Grund und Anlass des Synodalen Weges war ja die Veröffentlichung der MHG-Studie, darauf kamen wir immer wieder zurück. Es war die MHG Studie, die unermessliches Leid durch Missbrauch aufdeckte und nicht nur Täter verantwortlich machte, sondern auch Strukturen der Kirche, die diese Verbrechen begünstigten, ermöglichten und verdeckten. Und obwohl die Versammlung Errungenschaften für den weiteren Weg hervorgebracht hat, beispielsweise wie Macht geteilt und kontrolliert werden kann, wie Prävention gefördert und Missbrauch verhindert werden soll; die Frage nach der Neubewertung der Geschlechteridentitäten für queere und transsexuelle Menschen, die Rechte von Frauen, die Segnung gleichgeschlechtlicher Paare etc., war es für mich eine schmerzliche Erfahrung, zu spüren, wie sehr man Menschen bisher kontinuierlich ausgeschlossen hat. Es wurde ins Bewusstsein gerückt, dass wir durch unsere Strukturen Leid verursacht haben, dass wir wirklich Menschen, die Gott (und nicht wir) zu seiner Kirche beruft, durch unsere Strukturen von der Teilhabe ausschließen oder klassifizieren oder sie bewerten.

Das Besondere an den Diskussionen in der Versammlung selbst waren dann nicht allein die Textvorlagen, sondern es waren die Menschen, die dafür mit ihren Geschichten, Verletzungen und Identitäten standen und dafür eintraten. Es wurde nicht über Menschen gesprochen, die unsägliches Leid in dieser Kirche durch Missbrauch erlitten hatten, nicht über Frauen und deren fehlenden Zugang geredet, nicht über Menschen unterschiedlicher geschlechtlicher Identitäten, Priester und ihre Lebensform, gelingende Beziehungen und ihre Vielfalt, sondern mit ihnen. Dieses Miteinander Reden und einander Wahr- und Ernstnehmen hat den Synodalen Weg ausgemacht. Niemand wäre hier mehr so einfach in der Lage gewesen, dem jeweilig Anderen seine Berufung und seine von Gott geschenkte Würde abzusprechen, seinen Zugang zur Kirche und ihren Ämtern.

Wie war die inhaltliche Auseinandersetzung mit den vier Themen auf der Versammlung und was war Ihnen wichtig?
In vier Foren wurden die vier großen Themen „Macht und Gewaltenteilung“, „Frauen in Diensten und Ämtern“, die „Priesterliche Existenz heute“ und die „Sexualmoral der Katholischen Kirche“ theologisch diskutiert und für die Versammlung als Textvorlagen vorbereitet. Vor den Versammlungen hatten alle Teilnehmenden des Synodalen Weges die Möglichkeit, sich mit den Texten in Hearings auseinanderzusetzen, sie zu lesen und ihre Änderungs- und Diskussionsvorschläge einzubringen.

Hat sich Ihre Einstellung verändert durch diesen Prozess?
Ja, ich glaube es war für alle ein Lernprozess. Denn wir begriffen, dass diese Texte und deren Inhalte Menschen, ihre Leidensgeschichte und ihre Identitäten betreffen. Dies war für mich, für uns alle, die wir uns strukturell mitverantwortlich fühlten, ein schmerzlicher Lernprozess. Die Menschen legten uns die Finger in die Wunde, und Gott sei Dank tun sie es und sind noch in dieser Kirche und trauen uns allen eine Umkehr zu.

Was hat der Synodale Weg mit Ihnen als Steyler Missionsschwestern zu tun?
Ich fühlte mich an unser vorletztes Kapitel erinnert, wo wir in unseren Texten über Mission schrieben, dass die Menschen, denen wir dienen wollen, unsere Geschichte mitschreiben. Wir schreiben gemeinsam Geschichten, wir suchen gemeinsam den lebenspendenden Gott, der in der Welt und seiner Kirche zu finden ist.

Als Ordensfrauen dürfen wir den spirituellen Reichtum dieser Kirche in unseren Gemeinschaften verkosten und leben, wir müssen allerdings auch dafür eintreten, dass dies viele, ja alle wieder tun können und dass die Strukturen niemanden ausschließen.

Die Charakteristiken „Spiritualität“, „Mission“ und „Gemeinschaft“, die das Ordensleben ausmachen, gelten in unseren Orden, auch bei uns Steylern, und gewährleisten eine andere Struktur. Man hat ein Amt nicht auf immer inne. Orden und ihre Strukturen sind sicherlich nicht das Allerheilmittel, aber sie ermöglichen Synodalität, weil sie Macht in Leitung nicht zementieren, sondern sie im Konstrukt auf Zeit auch strukturell zum Dienst machen. Wir Frauen leiten in unseren Gemeinschaften und können unsere Berufung leben – wir sollten prophetisch dafür eintreten, dass dies alle Frauen, alle Menschen in ihren jeweiligen geschlechtlichen Identitäten, ebenfalls können.

Wie geht der synodale Weg für Sie weiter?
Er geht für mich weiter in diesem Einsatz. Ich bin mir auch bewusst, dass meine Ansicht nicht von allen meinen Mitschwestern und Mitbrüdern geteilt wird, aber wir teilen den Glauben an den menschgewordenen Gott und das lässt uns in aller Unterschiedlichkeit auf alle Menschen zugehen und mit ihnen gehen und suchen, um das Reich Gottes ein wenig mehr Wirklichkeit werden zu lassen.

Wird Veränderung im kirchlichen Kontext gewährleistet? Geht es weiter?
Das ist die ganz große Frage. Der weltweite Synodale Prozess ist ja jetzt auch im Gange und auch er hört die Menschen. Ob er sich jetzt strukturell verankert, bleibt zu hoffen. Der Synodale Ausschuss, der jetzt gegründet worden ist, ist ein Gremium, das Mitbestimmung ermöglichen soll und das gemeinsame Suchen verstetigen soll.

Hat der Synodale Weg als solcher Früchte getragen?
Absolut. Weil er ein größeres Miteinander und ein gemeinsames „Auf-den-Weg“ geschaffen hat, auch mit hohen theologischen Texten. Unsere Texte werden von anderen genommen, die wiederum ihre Gedanken beisteuern. Der deutsche Weg ist halt ein Beitrag innerhalb der Weltsynode. Ich glaube, dass er uns verändert hat. Auch Bischöfe können nicht mehr hinter das zurück, was sie als richtig erkannt haben. Der Prozess hat Menschen verändert und für mich hat sich nicht eine Einstellung, sondern ein Wissen verändert. Ich glaube, dass ich auch vorher keine Menschen ausgeschlossen hätte, weil das konträr zum Christentum wäre. Das Evangelium schließt nicht aus, sondern immer ein. Aber wie Menschen sich ausgeschlossen gefühlt haben, das war mir vorher so nicht bewusst.

Wir können nicht humanwissenschaftliche Erkenntnisse (wie z.B. bezüglich der „Prägung“ homosexueller Menschen) ignorieren. Der Glaube kann nicht konträr laufen. Da muss sich Kirche wirklich öffnen und gerade in diesen Fragen, wo Menschen diskriminiert werden. Es ist eine Frage des Menschenbildes.

Da geht es für mich auch nicht mehr darum, Kompromisse zu schließen, sondern durch solche Foren sich berühren, verändern zu lassen. Durch die Berührung verändern sich Menschen. Und das haben beim Synodalen Weg auch die Bischöfe gemerkt. Bischof Bätzing wird nicht müde, zu wiederholen, dass Partizipation und Teilhabe gerade das Bischofsamt stärken und nicht schwächen wird.

Aber es gibt auch Leute, die mir sagen: „Warum stellen Sie den Menschen in den Mittelpunkt statt Christus?“ Ich antworte, aber Christus ist für den Menschen gekommen, ist selbst Mensch geworden. Das wird man unterschiedlich sehen. Die Stimme der Orden wurde auf dem Synodalen Weg sehr anerkannt und wertgeschätzt. Das ist erfreulich, aber ich denke, dass auch Menschen, die in anderen Lebensformen und Identitäten christlich unterwegs sind, genauso wertzuschätzen sind, wie etablierte Ordensgemeinschaften.

Die Entwicklung der Kirche kann man nicht vorhersehen, aber Sie sind optimistisch in Ihrer Einschätzung?
Ja, weil mindestens 80 % der Anwesenden genau in diese Richtungen gehen wollen und weil es diese Menschen gibt, die zutiefst verletzt wurden, die ausgeschlossen wurden und die trotzdem mit dieser Kirche weitergehen. Es sind die von Missbrauch Betroffenen, die vielen jungen Menschen des BDKJ, die vielen Frauen und Menschen in vielen Lebensformen und mit vielen Geschlechteridentitäten, es sind die vielen Theologinnen und Theologen, die nicht gesagt haben „rutsch mir den Buckel hoch oder runter, sondern sie sagen: das ist unsere Kirche und wir gestalten sie mit und kämpfen dafür. Ihnen können wir zutiefst dankbar sein. Ich wüsste nicht, ob ich für eine Organisation, in der ich so viel Ausschluss erfahre, noch so kämpfen würde. Und das sind für mich die wahren Prophetinnen und Propheten. Nicht die, die etabliert sind, auch nicht wir, die wir unseren Platz haben, auf dem wir wirken und handeln können. Die Anderen öffnen uns die Augen. Solange es sie noch gibt, ist in der Kirche noch Hoffnung, weil die uns auf den Weg bringen.

Schwester Bettina Rupp SSpS

Vielen Dank für das Gespräch, Sr. Bettina.

Renate Breuer

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