Deutschland
10. Mai 2022
Die Zeit zwischen Ostern und Pfingsten ist eine Zeit des Aufbruchs, oder besser, die Zeit der Vorbereitung auf den großen Aufbruch, der mit dem Heiligen Geist zu Pfingsten geschieht.
Nach der anfänglichen Verunsicherung und auf das Gefühl des Scheiterns folgt die langsame Einsicht in die Auferstehung Jesu: er lebt - und das hat Konsequenzen für alle, die ihm begegnen. Die Jünger Jesu erkennen Gott als den, der für die Menschen da ist. Bis zur Himmelfahrt Jesu und zur Herabkunft des Geistes haben sie noch einmal Zeit, Ostern zu verstehen. Und so wird ihr Leben, ihre Verkündigung, zum Evangelium, zur Frohen Botschaft. Nach Pfingsten geht es dann richtig los…
Um die Botschaft zu verbreiten, machen sich die ersten, die an die Auferweckung Jesu glauben, auf den Weg. Das Neue Testament beschreibt diesen Aufbruch in der Apostelgeschichte auf unterschiedliche Weisen und mit konkreten Beispielen. Es geht hier nicht um triumphale Erfolge, sondern es wird mit Demut und Selbstbewusstsein gezeigt, wie sich das Evangelium verbreitet hat – durch immer neue Begegnungen mit Gott und Menschen, durch das Ernstnehmen und Sicheinlassen auf Menschen und ihre Lebenssituationen. Die, die verkündigen sind gleichzeitig Hörende. Gott, der sich ihnen in Jesus gezeigt hatte, offenbart sich auf viele Weisen und überrascht sie immer wieder als der, der an der Seite
aller Menschen steht.
Der Aufbruch, den uns die Apostelgeschichte zeigt, ist für uns heute ein Signal, uns auf das Wesentliche zu besinnen. Was ist unser eigentlicher Auftrag? Worum geht es uns als Orden, als Kirche, als Christen in einer immer pluraler werdenden Welt? Es droht immer wieder die Gefahr, dass wir uns nur noch um uns selbst drehen, dass wir uns in dieser Zeit der vielen Krisen zu verteidigen und zu überleben suchen. Aber eigentlich wollen wir doch auch heute die Frage nach Gott stellen und Antworten ins Gespräch bringen, die Menschen unserer Zeit bewegen, vielleicht sogar aufbrechen lassen. Das stellt eine Herausforderung dar, da Kirche für viele immer unglaubwürdiger wird. Aufbruch kann so bedeuten, Gewohntes und Lieb-Gewordenes hinter uns zu lassen und zu suchen, was uns dem Auferstandenen und seiner Botschaft näherbringt. Vielleicht spielt es auch eine Rolle, sich Zeit zu nehmen für Ostern – so wie die Jünger zwischen Auferstehung und Geistsendung.
Wir werden ermutigt, uns auf Jesus und seine Botschaft einzulassen und mit uns selbst und mit anderen ehrlich zu sein. Ehrlich auch über unsere verwundete Kirche, die durch sexuellen Missbrauch und seine Vertuschung so schrecklich beschädigt wurde. Warum sollte jemand glauben, dass unser Glaube wahr ist, wenn wir nicht ehrlich sind? Wir werden nur authentische Zeugen sein, wenn wir bereit sind, von anderen Menschen zu lernen. Und wir werden nur dann glaubwürdige Zeugen der Botschaft Jesu sein, wenn wir unser Herz und unseren Verstand für Menschen öffnen, mit denen wir nicht einverstanden sind - auch innerhalb der Kirche, oder innerhalb unserer eigenen Gemeinschaften! Wir müssen enge parteipolitische Ideologien überwinden und dem Gift der Polarisierung widerstehen.
All das lädt uns immer neu zum Aufbruch ein – nicht nur zum äußeren, indem wir Orte und Dinge hinter uns lassen, sondern vor allem auch zum Aufbruch des Herzens, in unserem Inneren.
Pater Martin Üffing SVD