Strategien der Mission

Deutschland

12. Nov 2022

Die komplexe Verschränkung zwischen Strategien der Mission und den Bedingungen dafür war das Thema des Vortrags in der Akademie Völker und Kulturen am 11. November in der Aula des Missionspriesterseminars in Sankt Augustin.

Strategien der Mission

Mission einer wechselvollen Geschichte

Prof. Maier bot einen großen missionsgeschichtlichen Überblick über die Zeit und weltweit. Dabei nahm er seinen Ausgang vom Bibeltext, der als der „Missionsbefehl“ bekannt ist (Mt 28,19), der aber gar nicht so eindeutig ist, wie aktuelle Bibelübersetzungen zeigen: In der katholischen Einheitsübersetzung (2016) lautet er: „Darum geht und macht alle Völker zu meinen Jüngern…“, während die Lutherbibel (2017) übersetzt: „Darum gehet hin und lehret alle Völker.“ Der eine Text der Bibel wird also auch heute unterschiedlich akzentuiert, und das war so im Laufe der gesamten Geschichte.

Eine erste Phase der Ausbreitung des Christentums ereignete sich im relativ einheitlichen Kulturraum des Römischen Reichs bis ins 5. Jahrhundert. Als Charakteristik erscheint eine eher persönliche Bekehrung, die nicht als gesellschaftlicher Prozess angelegt war. In Fortführung biblischer Sprachbilder geht es um den Gegensatz von Tod und Leben, von Unglauben und Glauben. Bekehrung wurde als Bruch mit dem vorhergehenden Lebensideal verstanden, nicht als Übergang. Damit wurde auch eine abwertende Haltung anderen Religionen gegenüber festgelegt, die als Aberglaube, Zauberei oder Götzendienst verstanden wurden. Diese ersten Jahrhunderte der Ausbreitung entwickelten sich zu einem Ideal für die Folgezeit.

Im Mittelalter bis ins 15. Jahrhundert überschritt das Christentum die kulturellen Grenzen des untergehenden Römischen Reichs und begegnete anderen religiösen und kulturellen Gegebenheiten. Ausbreitung des Christentums hieß auch Vermittlung einer Kultur (mit Latein als der tragenden Sprache) und die Herstellung einer Herrschaft – als ein brutales Ereignis dazu kann die sogenannte „Sachsentaufe“ im 8. Jahrhundert mit Karl dem Großen gelten, in heutigen Begriffen wohl ein Völkermord. Aber solche Kriege wurden als „gerecht“ angesehen, wegen der Zusammenhänge mit der Glaubensverbreitung. Auch in dieser Zeit werden andere Religionen verunglimpft und negativ bewertet, es entwickelte sich aber auch ein Ansatz für positive Interpretationen mit Vorstellungen wie dem „frommen Heiden“, der natürlichen Gotteserkenntnis in jedem Menschen (wie sie auch der Koran enthält) oder den „Samen des Wortes“.

Mit den Expansionsmöglichkeiten seit dem 15. Jahrhundert nach Afrika, Amerika und von dort nach Asien zeigt sich die Mission erneut im Zusammenhang mit der Herrschaftsausbreitung. Missionierung bedeutete immer auch militärische Unterwerfung – und umgekehrt. Gerade hier zeigt sich aber auch die Abhängigkeit von Bedingungen, die die Missionsstrategien bestimmten: Wo es zusammenhängende Herrschaftsgebiete (wie die Azteken oder Inkas in Amerika) gab, war die Mission relativ schnell und durchgehend möglich. Wo es weniger solche Strukturen gab oder auch das wirtschaftliche Interesse Europas weniger deutlich war, wurde die Mission anders organisiert (zum Beispiel entlang der Küsten Afrikas oder Indiens).

Schwierige Urteilsbildung

In der Geschichte der Missionierung ist eine ausgewogenere Einschätzung schwierig, weil fast immer nur die Stimmen der Missionare und Kolonisatoren vorliegen, kaum aber die Stimmen der Bekehrten und Unterworfenen. Die Berichte über die Mission hatten oft auch die Intention, ihren Erfolg zu zeigen und in den Herkunftsländern für Unterstützung zu werben. Prof. Maier unterstrich dazu die unzureichende Quellenlage, um zu einer besseren Einschätzung der Geschichte kommen zu können.

Mission blieb ein Kind ihrer Zeit. Auch wenn Missionare oft die Missbräuche von Kolonialmächten kritisierten, stellten sie den grundsätzlichen Herrschaftsanspruch der Kolonie nicht in Frage, sondern arbeiteten oft weiterhin damit zusammen. Akteure wie etwa die Herrnhuter Mission legten keine große Bedeutung auf Bildung und sandten eher Handwerker in die Mission als ausgebildete Theologen, die sich auf andere Weise im interreligiösen Dialog oder der Bekehrung engagierten.

Abschließend fragte sich Prof. Maier nach den Begleit- und Folgeerscheinungen. Eine einfach negative Bewertung von Mission sei nicht zutreffend, weil einerseits viele Daten und Quellen fehlen, es andererseits sicher auch viele positive Folgen gegeben hat, wie etwa im Bereich der gesundheitlichen Versorgung oder der Grundlegung von Bildungssystemen in vielen Ländern, die es auch Einheimischen ermöglichte, ihre eigene Stimme zu finden und zu formulieren. Wesentlich ist auch die Vermittlung von ersten Kenntnissen über andere Völker, Kulturen und insbesondere Sprachen nach Europa. Die Mission in ihren verschiedenen Ausprägungen und Praktiken hat dazu geführt, das religiöse Gefüge von Religionen auf der ganzen Welt zu verändern.

In einem angeregten Gespräch zum Abschluss des Vortragsabends ging es um die Frage, wie weit man die Verletzungen und Opfer der Mission zählen und zuordnen kann, oder wie schwer sich eine ausgewogene Einschätzung erreichen lässt, gerade auch angesichts der fehlenden Stimmen von allen Seiten.

Christian Tauchner SVD

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