Deutschland
28. Mär 2022
Nur sechs Tage nach Vollendung seines 98. Geburtstages verstarb im Wendelinusheim in St. Wendel unser lieber Mitbruder Pater Siegfried Zoch SVD nach einer schweren Krankheit.
Pater Siegfried wurde am 21. März 1924 als sechstes Kind der Eheleute Josef Zoch und Marta, geb. Wronski, in Danzig-Neuheit geboren. Von 1930 - 1934 besuchte er die Volksschule in Danzig und wechselte anschließend auf das Städtische Gymnasium der Stadt, wo er 1942 das Abitur ablegte.
1940 bereits verstarb der Vater, so dass die Mutter nun alleine für die 6 Kinder sorgen musste. Mitten in die Schulzeit fiel der Beginn des Zweiten Weltkrieges. Nach Ablegung des Abiturs mussten alle 16 Abiturienten einen sechsmonatigen Arbeitsdienst in Braunau bei Bromberg absolvieren. Für Siegfried, der nur gewohnt war mit Bleistift und Papier zu hantieren, war dies eine sehr schwere Zeit. 14 Tage nach dem Arbeitsdienst begann die Militärzeit: zunächst die Rekrutenzeit in Elbing; ihr folgte eine weitere Ausbildung in Thorn. Im Sommer 1943 kam er zum ersten Fronteinsatz nach Südrussland, an den Donez zwischen Charkow und Isjum. Als er später an Gelbsucht erkrankte, brachte man ihn in das Lazarett Kremsier in Tschechien und von dort zurück nach Deutschland. Seitdem bewegte ihn die Frage: Was hat Gott mit dir, mit deinem Leben vor?
Eine weitere militärische Ausbildung folgte in Hagenau im Elsass. Dort erlitt er einen Blinddarmdurchbruch und musste für 8 Wochen in ein Lazarett. Der nächste Fronteinsatz war Ende September 1944 am Westwall in der Nähe von Bitburg. Danach wurde seine Einheit nordwärts in die Eifel verlegt, wo sie am 30. November 1944 in amerikanische Gefangenschaft geriet. Er durchwanderte die Lager Namur, Bolbeck, Rennes und Lanniron bei Quimper in der Bretagne. Anschließend arbeitete er für zwei Jahre auf einer Hühnerfarm, gefolgt von einem Einsatz in einer Wein- und Spirituosengroßhandlung in Brest bis zur Entlassung aus der Gefangenschaft. In dieser Zeit in Frankreich reifte in ihm der Entschluss, Priester zu werden und Gott in einer Ordens- und Missionsgesellschaft zu dienen.
Die Zeit von der Entlassung bis zum Eintritt in den Orden überbrückte er bei seiner Schwester Hedwig, die damals ihr letztes Semester Medizin in Erlangen studierte. Diese Schwester ging 1950 als Missionsärztin nach Shangar in Pakistan. Eine schwere Malariakrankheit zwang sie, diese schöne Tätigkeit aufzugeben. Sein Bruder Bruno fiel 1944 beim Rückzug in der Nähe von Lemberg. Die Mutter und die 3 anderen Schwestern weilten noch in Danzig, das polnisch geworden war. Sie kamen später nach Bochum, das für ihn zur zweiten Heimat wurde.
Mit 24 Jahren trat er bei den Steylern in Sankt Augustin ein. Auf das Noviziat folgten Philosophie und Theologie. Am 28. August 1954 wurde er von Bischof Olbert SVD zum Priester geweiht. Schon vor der Priesterweihe erhielt er die Bestimmung für Sambalpur in Indien. Daher ging er nach der Priesterweihe zum Sprachkurs nach Liverpool in England. Dort und später in Cardiff machte er seine ersten pastoralen Gehversuche, dazu noch in einer fremden Sprache. Später ist er gerne nach England zurückgekehrt - es blieb die erste, große seelsorgliche Liebe. Die Lebensart der Menschen, ihre Toleranzweite, Hilfsbereitschaft und kernige Gläubigkeit hat er schätzen und würdigen gelernt. Da die indische Regierung ein Einreisevisum verweigerte und ein langwieriges, lästiges Ekzem den Arzt zu diesem Zeitpunkt an seiner Tropenfähigkeit zweifeln ließ, erfolgte seine Umbestimmung in die damalige Niederdeutsche Provinz der Steyler Missionare.
Zunächst kam er nach Steyl ins Mutterhaus als Lehrer am Gymnasium. Daraufhin folgte ein fünfjähriges Zweitstudium in Anglistik und Geschichte an der Universität in Köln mit Referendarzeit in Dortmund. Danach nahm er die Tätigkeit als Lehrer und Erzieher im Missionshaus St. Xaver in Bad Driburg auf. 1966 ging er nach Geilenkirchen in das Missionshaus Sankt Josef. In dieser kleinen überschaubaren Schule, einem Aufbaugymnasium, fühlte er sich besonders wohl und an diese Zeit dachte er immer gerne zurück. Eines Tages erschien ein englischer Militärseelsorger der Royal Air Force und fragte an, ob nicht einer der Patres die sonntäglichen Gottesdienste auf dem Flugplatz Teveren bei Geilenkirchen übernehmen könne. Da Siegfried die Engländer und die englische Sprache liebgewonnen hatte, sagte er sofort zu. Nach der Auflösung des Aufbaugymnasiums in Geilenkirchen kehrte er nach Bad Driburg zurück und unterrichtete dort bis zu seiner Pensionierung 1986. Nach Teveren und der Rückkehr nach Bad Driburg folgte die Betreuung britischer Armee- und Soldatenfamilien im Raum Paderborn-Sennelager, Detmold und Hameln.
Nach der Pensionierung schickte ihn der damalige Provinzial während der Umbauarbeiten für das zukünftige Provinzialat in das Paulushaus nach Bottrop, anschließend für zweieinhalb Jahre nach Goch zur Mitarbeit in der Pfarrei und zur Hilfe bei den Presse-Sonntagen für die Steyler Zeitschriften. Von Goch holte ihn P. Starmans für sechs Jahre wieder zurück nach Bottrop. Hier hat er sich viel um Obdachlose gekümmert, was ihm zeitlebens unvergesslich blieb. Am 29. Juli 1995 wechselte er in die Kommunität des Heilig-Geist-Kollegs nach Berlin. Er war Präses der Kommunität und kümmerte sich seelsorglich um die philippinische Gemeinde, half in der Pfarrgemeinde und bei den Steyler Anbetungsschwestern aus. Mit Br. Franz Schneider reiste bis nach Frankfurt/Oder, Sachsen und Thüringen, um an Presse-Sonntagen für die Steyler Zeitschriften zu werben. Nach 15 Jahren und nun schon 86 Jahre alt, wollte er einem Jüngeren Platz machen und übersiedelte in das Missionspriesterseminar nach Sankt Augustin, wo er 64 Jahre zuvor sein Ordensleben begonnen hatte. Hier fühlte er sich wohl unter den Mitbrüdern, die aus 15 verschiedenen Nationen eine Gemeinschaft bilden. Sonntags feierte er Gottesdienst mit den Bewohnern im angrenzenden Seniorenheim „St. Monika“, half gerne im Beichtstuhl aus und konnte auch seinen „Hobbys“ wie Wandern, Musik hören und Lesen nachgehen.
Im August 2019, nachdem seine körperlichen Kräfte langsam nachließen, entschloss sich Siegfried in das Wendelinusheim nach St. Wendel umzuziehen. Oftmals war er zu Beerdigungen von Sankt Augustin nach St. Wendel gekommen und kannte daher fast alle Mitbrüder gut. Auch hier fühlte er sich gleich zuhause. Vor mehr als einem Jahr erkrankte er an Krebs, aber er ließ sich, im Hinblick auf sein hohes Alter, nicht mehr therapieren. Ganz ruhig ist er am Sonntagabend heimgegangen.
Wir danken Gott für das Geschenk dieses Mitbruders – wo er auch war, haben ihn die Leute und die Mitbrüder ins Herz geschlossen. Wir werden ihn alle sehr vermissen. Möge er uns nun vom Himmel aus beistehen.
St. Wendel, 29. März 2022
Br. Stefan Theobald SVD