Deutschland
15. Dez 2022
Missionstheologie als kulturelle Brücke nach China: Joachim Bouvets Der ursprüngliche Sinn der Himmelslehre (Tianxue benyi)
Mit einem der besten und faszinierendsten Beispiele der Missionsmethode der Jesuiten in China befasst sich die jüngste Publikation des Instituts Monumenta Serica: Anfang Dezember erschien Claudia von Collanis Studie Der ursprüngliche Sinn der Himmelslehre (Tianxue benyi): Joachim Bouvets (1656–1730) frühe Missionstheologie in China. Analyse, Transkription und Übersetzung der lateinischen Fassungen. Die Autorin ist eine international anerkannte Expertin für die China-Mission der Jesuiten. Sie forscht und lehrt als außerplanmäßige Professorin am Lehrstuhl für Missionswissenschaft und Dialog der Religionen der Julius-Maximilians-Universität Würzburg.
Der Gegenstand des Buches, das Manuskript Tianxue benyi 天學本義, später erweitert als Gujin jingtian jian 古今敬天鑒 (Spiegel der Verehrung des Himmels in Altertum und Gegenwart) des Jesuiten Joachim Bouvet wurde zwischen 1701 und 1707 in regem Austausch mit dem Kangxi-Kaiser bearbeitet und stellte verschiedene Zitate aus den konfuzianischen Klassikern in Beziehung zu christlichen Lehrinhalten: So identifizierte Bouvet den chinesischen Begriff shangdi (Höchster Herrscher/Kaiser) mit dem christlichen Verständnis von Gott als Weltenherrscher. Er brachte auch volkstümliche Sprichwörter oder gelehrte Sentenzen aus chinesischen Quellen mit katholischen Glaubenssätzen in Verbindung. Bouvet versuchte auf diese Weise, die Vereinbarkeit von Christentum und Konfuzianismus zu belegen und eine kulturelle Brücke zu schlagen, die den chinesischen Beamten-Gelehrten die Bekehrung zum Christentum erleichterte sollte.
Eine besondere Bedeutung gewann das Tianxue benyi in der Geschichte der katholischen Kirche in China, weil es in der entscheidenden Phase des „Ritenstreits“ in Umlauf kam. Bei dieser missionstheologischen Auseinandersetzung ging es darum, ob die in China üblichen Riten zur Verehrung der Ahnen und des Konfuzius als rein gesellschaftliche Praktiken geduldet oder als heidnische Anbetung verworfen werden mussten. Im Zentrum stand aber die Frage, in welchem Maße die katholische Mission auf den kulturellen Kontext Chinas eingehen durfte, ohne den Boden der Rechtgläubigkeit zu verlassen. Das Tianxue benyi wurde zu einem Zankapfel in dieser innerkirchlichen Debatte, die letztlich mit dem Verbot endete, die Ausübung der Riten bei chinesischen Christen zu dulden. Damit war auch die tolerante Missionsmethode der Jesuiten in China gescheitert. Als Zeugnis für einen frühen kontextuellen Ansatz in der Missionstheologie bleibt das Tianxue benyi aber bis heute relevant.
Das Buch enthält eine komplette deutsche Übersetzung der lateinischen Fassung des Tianxue benyi und des Gujin jingtian jian. Die Autorin bettet diese Texte außerdem in den größeren kirchenpolitischen und historischen Kontext ein.
Claudia von Collani, Der ursprüngliche Sinn der Himmelslehre (Tianxue benyi): Joachim Bouvets (1656–1730) frühe Missionstheologie in China. Analyse, Transkription und Übersetzung der lateinischen Fassungen. Collectanea Serica – New Series, No. 4. Abingdon, Oxon – New York: Routledge, 2023 [Erscheinungsjahr 2022]. xvi, 478 S. ISBN 978-1-032-32446-3 (Hardcover), ISBN 978-1-003-31507-0 (eBook). £ 140.00 (Hardcover), £ 36.99 (eBook).
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Dr. Dirk Kuhlmann