Netzwerke tragen durch Verletzlichkeit

Deutschland

17. Okt 2022

Der erste Vortrag der diesjährigen Reihe zu „Verletzlichkeit“ hatte den „Umgang mit Verletzlichkeit und Schwäche“ zum Thema. Der Vortragende war ein Polizeiseelsorger, Dr. Ulrich Hoppe.

Netzwerke tragen durch Verletzlichkeit

Der Oberpfarrer und Lehrbeauftragte für Berufsethik an der Bundespolizeiakademie in Lübeck, Dr. Ulrich Hoppe, referierte dabei über die „Wahrnehmungen eines Polizeiseelsorgers“. Etwa 40 Personen folgten dem Vortrag auf der Empore der Aula am Freitag, dem 14. Oktober, um 19.30 Uhr mit größtem Interesse.

Täglich erleben PolizistInnen „Verletzungen“. Gesetze werden verletzt, Menschen werden durch Verbrechen physisch und psychisch zu Verletzten, aber auch die BeamtInnen erleben selbst mannigfaltige Verletzungen durch das sogenannte polizeiliche Gegenüber. Befindet sich der Beamte in einer labilen Work-Life-Balance, können diese Verletzungen zu schwerwiegenden Problemen führen. Dabei bezog sich Dr. Hoppe auf Situationen, in denen PolizistInnen traumatische Erlebnisse machen, etwa bei Verkehrsunfällen oder wenn sie Todesnachrichten überbringen müssen. Besonders der Umgang mit Selbstmorden ist schwierig, mehr noch, wenn es sich dabei um ArbeitskollegInnen handelt.

Als Hintergrund erläuterte Dr. Hoppe, dass jeder Mensch Grundbedürfnisse wie Nahrung, Sicherheit, Neugier und verlässliche Bindungen hat. Solange sie ausreichend befriedigt werden können, ist die Welt für den Menschen in Ordnung. Wenn eines davon aber unerwartet nicht erfüllt wird, entsteht eine „moralische Verletzung“, die sich in Depression, Aggression oder Hysterie äußern kann. Jeder Mensch lebt in einem Zustand, in dem er das „Gefühl moralischer Gewissheit“ haben möchte. Dazu gehört wesentlich auch die Fähigkeit zur Empathie, also mit anderen Menschen mitzufühlen und an ihren Schmerzen, Leiden und Verletzungen teilzuhaben. PolizistInnen kommen oft in Situationen, die solche Gefühle moralischer Gewissheit in Frage stellen.

In solchen Stresssituationen bietet die Seelsorge Hilfestellungen an. Sie bestehen zuerst und vor allem im Zuhören, im zur Sprachebringen dessen, was die Person erfahren hat und belastet. Für bestimmte Fälle kann auch eine weitere professionelle Hilfestellung notwendig werden. Oft ist auch viel Zeit notwendig, um mit traumatischen Erfahrungen zurechtkommen zu können. Unter Umständen kann die Religion weiterhelfen, aber sie wird von den Seelsorgern erst angeboten, wenn die betroffene Person dafür offen ist. Vielfach können auch Rituale helfen, mit einer traumatischen Erfahrung umgehen zu können.

Es gibt aber auch Möglichkeiten, sich in eine gute Position zu bringen, um traumatische Erfahrungen besser aushalten zu können: Die eigene Resilienz zu stärken, besonders durch die Pflege von Beziehungen und persönlichen Bindungen, durch Selbstreflexion und die Übernahme von Eigenverantwortung. Gute Netzwerke und der vertrauensvolle Umgang mit den Mitmenschen sind dafür wesentlich, schloss Dr. Hoppe seinen Vortrag.

Christian Tauchner SVD

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