Deutschland
22. Nov 2022
Pater Christian Tauchner SVD macht sich kritische Gedanken über Prozesse und Entwicklungen innerhalb der Ordensgemeinschaft der Steyler Missionare, in der Kirche und in der Darstellung der missionarischen Verkündigung.
Seit Jahren und Jahrzehnten halte ich es für ein Privileg, mich mit Missionswissenschaft und der Herausgabe von Zeitschriften und Büchern beschäftigen zu dürfen. Das war schon in Ecuador so, als 1995 eine spanischsprachige Ausgabe der französischen Zeitschrift Spiritus in die Wege geleitet wurde. Und es ist heute nicht viel anders im Steyler Missionswissenschaftlichen Institut mit der Herausgabe von Verbum SVD, der Reihe der Studia und der Steyler Missionschronik. Denn Missionswissenschaft ist eine Reflexion auf Prozesse und Entwicklungen, die gerade jetzt stattfinden, innerhalb und außerhalb der Kongregation und der Kirche. Natürlich beschäftigen wir uns auch mit unserer Geschichte, das zeigen die vielen Bände, die sich der Geschichte der Steyler widmen.
Unser Generalsuperior, Paulus Budi Kleden SVD, behauptet in seinem Motivationsschreiben, uns mit dem Thema des nächsten Generalkapitels zu beschäftigen, dass „agere sequitur esse“, „unser Sein beeinflusst unser Tun“ – das hätte er gern, glaube ich! Diesem Bewusstsein der Zugehörigkeit und der fortlaufenden Klärung unserer Identität, aus der sich unser Engagement ergibt, dient auch die Zeitschrift Verbum SVD, die Studia und die Steyler Missionschronik. Ich habe oft den Eindruck, dass es darin Angebote in großer Zahl gibt, die aber kaum genutzt werden. Als ob das Tun reichte und unsere Identität und unser Sein fraglos wären. In einer kleinen Umfrage, die ich vor fast zwei Jahren in unserer Provinz gemacht habe, kam unter anderem heraus, dass unsere Fortbildung sehr zu wünschen übriglässt – kein Wunder also, dass Identität und Sein eher nebulos erscheinen.
Ich bin dann oft doch einigermaßen enttäuscht, wie wir über unser Engagement und unsere Mission denken und berichten. Da zeigt sich doch viel zu oft ein unerträglicher Ekklesiozentrismus (also eine Haltung, die über die eigene Sakristei und den Kirchturm nicht hinauskommt und das für den Nabel der Welt hält) aus vorvatikanischen Zeiten – von „Reich Gottes“ keine Rede. Oder „Mission“ wird zu einem Folkloreauftritt – von „Kultur“ keine Rede, und dabei hätten wir doch das Anthroposinstitut, das sich spezifisch dieser Frage widmet. Was wir in unserem Institut erarbeiten, könnte durchaus eine Gelegenheit sein, sich kritische Gedanken zur eigenen Praxis zu machen und andere Perspektiven zu erarbeiten. Selbstverständlich: Ein alter Hund lernt keine neuen Tricks. Aber nicht alle unsere Steyler sind zu alt für neue Perspektiven, von unseren Mitarbeiter/-innen in allen möglichen Bereichen ganz zu schweigen.
Im Spanischen gibt es eine Weisheit, die mich gelegentlich tröstet (leider!): Du kannst deinen Esel zum Brunnen tragen, aber du kannst nicht machen, dass er trinkt! Manchmal habe ich den Eindruck, dass ich des Eseltragens müde bin.
Christian Tauchner SVD