Deutschland
15. Sep 2022
In einem Ausbildungshaus der Steyler Missionare dürfen eine Bibliothek und eine Buchbinderei nicht fehlen. Frau Ute Fischer erzählt uns aus der Geschichte der Buchbinderei in Sankt Augustin.
Ein Kloster ohne Bibliothek ist wie eine Feste ohne Waffen… und eine Bibliothek ohne Buchbinderei leidet an losen Buchdeckeln und fliegenden Seiten…. So sind seit jeher diese beiden fruchtbar miteinander verbunden. In Sankt Augustin galt das im Besonderen wegen des Hochschulbetriebs.
Alles begann mit Meister Bruder Sebastian „Willibald“ Walter. Er half nach dem 2. Weltkrieg beim Aufbau in St. Augustin. Von 1960 bis in die achtziger Jahre hinein arbeitete er in der Buchbinderei. Ab 1981 wurde er von Bruder Paul Gottwald, der aus Spanien zurückkehrte und dort zuvor eine Buchbinderei leitete, unterstützt. Später, nachdem Bruder Willibald ausschieden und 1993 ins Altenheim St. Gregor gezogen war, kam Bruder Franz Schneider dazu. Von 2007 bis 2014 leitete er die Werkstatt und verabschiedete sich dann, zusammen mit Bruder Paul nach St. Wendel.
Zweimal zog die Werkstatt innerhalb des Campus Sankt Augustin um. Zuerst befand sie sich im heutigen Audimax auf der 2. Etage des Paulusbaus. 1990 wurden die schweren Pressen und Schneidemaschinen von dort per Hub-Kran in die ehemalige Metzgerei des Landwirtschaftsgebäudes transportiert (heute Missionsprokur). 1993 fand die Buchbinderei dann Ihren Platz im Keller des Petrusbaus in einer sehr geräumigen Werkstatt zwischen Fahrradkeller und Elektrowerkstatt.
2014 habe ich die Tätigkeiten in der Buchbinderei von Bruder Franz übernommen. Die Arbeit umfasst vor allem das Binden der Fachliteratur zu Jahresbänden, Abschlussarbeiten der Studierenden, Reparaturarbeiten
für die Bibliothek, Mappen, Plakate, Einrahmungen und alles, was noch mit Papier zu tun hat. Die Werkstatt ist ein wunderbarer Ort mit Tradition, dieser alten Handwerkskunst aus der analogen Welt. Er inspiriert zu kreativem Tun und lässt mich eintauchen in eine Welt der Entschleunigung, denn alle Arbeitsschritte brauchen Zeit, Ruhe und Präzision. Manchmal versinke ich in Texten der noch zu bindenden Bücher. Papier ist ein toller Werkstoff und es bereitet mir Freude, die Kunstfertigkeit und Gestaltung besonders der älteren Bücher zu bestaunen.
In den tiefen Regalen der Buchbinderei lagern Papier, Pappe und Gewebe in allen Farben. Bilder der Ordensstifter und Erinnerungen an ferne Welten verzieren die Wände. In unzähligen Schubladen finden sich immer wieder Überraschungen: Widmungen, Zeitungsausschnitte, Briefmarken und in Zigarrenschachteln gesammelte Nieten, Schrauben und Nägel. Zwei Schneidemaschinen zum Buchblockbeschnitt, die ohne elektrische Energie auskommen, mit Hebel, - und Kurbelbetrieb, finden sich ebenso, wie ein großer, robuster Werktisch, umrahmt von Papier, - und Vergolde-Pressen, Messingschriften
für Hochdruck, Blattgold und jeder Art von Material und Werkzeug, welches zum handwerklichen Einbinden benötigt wird.
Durch den Wegzug der Hochschule nach Köln sind die Arbeiten in der Buchbinderei reduziert, aber wie schon erwähnt; ohne Buchbinderei kein Buch, keine Bibliothek…
Gerne können Sie die Buchbinderei besuchen, ich begleite Sie.
Ute Fischer