Chinawissenschaftlerin aus Leidenschaft

Deutschland

08. Dez 2022

Frau Dr. Barbara Hoster ist Sinologin und seit 33 Jahren Mitarbeiterin im Institut Monumenta Serica (IMS). Sie ist mit dem Institut und seiner Geschichte sehr vertraut. Ein Grund für uns, sie nach ihren Erfahrungen zu befragen.

Chinawissenschaftlerin aus Leidenschaft

Was hat Sie bewogen, sich so intensiv mit China zu beschäftigen?
Was mich gereizt hat, war zunächst die chinesische Sprache. Es fiel mir immer leicht, Sprachen zu lernen, da war Chinesisch eine Herausforderung. Das Studienfach Sinologie ist sehr breit angelegt, es umfasst alle Aspekte der Kultur Chinas. Neben Literatur auch Geschichte, Philosophie, Religion, Kunst und viele andere Gebiete. Ich habe 2 Jahre lang in China studiert, mit einem Stipendium des Deutschen Akademischen Austauschdienstes. Damals bin ich viel gereist. Seitdem war ich oft privat und ab und zu auch dienstlich in China. Seit 1989 arbeite ich im Institut Monumenta Serica. Meine Hauptaufgabe ist die Redaktion unserer wissenschaftlichen Publikationen. Die erfordert viel Geduld und Genauigkeit.

Hat sich Ihr Aufgabenbereich im Laufe der Jahre im Institut verändert?
Im IMS wurde ich zunächst als Bibliothekarin eingestellt. Unsere Bibliothek birgt wahre Schätze und zieht internationale Besucher zu Forschungsarbeiten an. Anfangs arbeitete ich sowohl für das IMS als auch das China-Zentrum. Nach und nach wuchs ich in meine heutige Tätigkeit als wissenschaftliche Redakteurin der Zeitschrift Monumenta Serica („Chinesische Denkwürdigkeiten“) und unserer beiden Buchreihen hinein. Äußerlich haben sich sowohl die Zeitschrift als auch die Art der Bearbeitung sehr verändert. Seit 2015 werden wir nicht mehr vom Steyler Verlag veröffentlicht, sondern sind nur eine von mehr als tausend Zeitschriften, die bei Taylor & Francis, einem sehr großen englischen Wissenschaftsverlag, erscheinen. Ich finde es bedauerlich, dass die Steyler Missionare nun nicht mehr im Namen des Verlages auftauchen und die Besonderheit der Zeitschrift als ein Projekt der Steyler da natürlich untergeht. Monumenta Serica ist ja ein Teil des wissenschaftlichen Apostolates der Steyler, und China war das erste Missionsgebiet der SVD. Man wollte den Chinesen aber das Christentum nicht aufzwingen, sondern sich wertschätzend mit der chinesischen Kultur befassen. Positiv an unserem neuen Verlag ist, dass wir jetzt auch online erscheinen und man die Zeitschrift sowohl im Druck als auch digital abonnieren oder einzelne Artikel gegen Gebühr herunterladen kann. Dadurch werden wir in der Fachwelt viel stärker wahrgenommen als früher.

Am Bücherstand des Instituts beim Klosterfest 2016.
Mit der französischen Sinologin und Mongolistin Françoise Aubin (1932 - 2017), einer langjährigen Besucherin des Instituts, 2013.

Wie können wir uns Ihre Arbeitsabläufe vorstellen?
Die Zeitschrift Monumenta Serica hat seit ihrer Gründung 1935 ein gutes Renommee in der Fachwelt, weil sie sich von Anfang an auf hohem Niveau mit China befasst hat. Sie umfasst ein breites Themenspektrum,
vom traditionellen China bis zum Ende der Kaiserzeit, aber das 20. Jahrhundert ist ja inzwischen auch schon historisch und wird daher ebenfalls berücksichtigt. Wir bringen Artikel zu allen Epochen und allen Fachgebieten. Wir fordern eigentlich nie Beiträge an, sondern Wissenschaftler schicken uns von sich aus ihre Artikel. Gelegentlich bekommen wir auch Angebote von Wissenschaftlern, eine Sondersektion zu machen, etwa über einen bestimmten Workshop. Wir setzen dann mehrere Beiträge zu dem jeweiligen Thema in eine Ausgabe und können es so vertiefen. Pater Wesołowski, unser Chefredakteur, wählt von den eingehenden Artikeln diejenigen aus, die fachlich und qualitativ in Frage kommen, und schickt sie anonymisiert an zwei externe Gutachter, gemäß dem vom Verlag geforderten Peer-review-Verfahren. Oft empfehlen die Gutachter eine Annahme nach Überarbeitung. Dann müssen die Autoren ihren Beitrag nochmal umschreiben, und wir prüfen, ob die Gutachten entsprechend umgesetzt wurden. Erst dann bearbeiten wir den Artikel für unsere Zeitschrift. Alles in allem ein komplexer Prozess auf mehreren Ebenen, der aber in der akademischen Welt inzwischen so üblich ist und eine gute Qualitätskontrolle darstellt. Bei der
redaktionellen Arbeit verbessert man eigentlich immer nur die Texte von anderen, ohne selber namentlich in Erscheinung zu treten. Viele Autoren wissen unsere Arbeit aber sehr zu schätzen und bringen dies zum Ausdruck. Als Ausgleich für meine redaktionelle Tätigkeit schreibe ich auch gerne eigene Texte, z.B. Beiträge für China heute, die Zeitschrift des China-Zentrums.

Wie sieht es mit der Öffentlichkeitsarbeit im Institut aus?
Unsere Öffentlichkeitsarbeit zielt darauf ab, unsere Publikationen bekannt zu machen, meist über die eigene Website oder die des Verlages. In unserer Rubrik „Recent Events and News“ stellen wir Neuerscheinungen vor und berichten über unsere Veranstaltungen. Wir organisieren auch Vorträge oder Konferenzen und möchten so als Institut mehr Aufmerksamkeit in der Öffentlichkeit gewinnen. Was unsere Bücher betrifft, so verschicken wir Rezensionsangebote, d.h. wir versuchen, sie in anderen Fachzeitschriften besprechen zu lassen, damit sie in den sinologischen Fachkreisen weltweit wahrgenommen werden.

Kann man sagen, dass es sich um eine Nische handelt für eine begrenzte Leserschaft?
Das Fachgebiet als solches ist natürlich auf Chinawissenschaftler im engeren Sinne begrenzt, obwohl wir auch einige Werke über China für ein breiteres Publikum veröffentlichen. Andererseits hat sich die Sinologie ständig weiterentwickelt, und das Fach ist stark gewachsen. Besonders in der Erforschung der Missionsgeschichte Chinas hat sich viel getan. Früher dachte man bei diesem Begriff „Da schreiben die Missionare über sich selber, und das ist alles ein bisschen unkritisch“. Aber in den letzten Jahrzehnten haben sich auch viele Sinologen mit dem Gebiet befasst, etwa der Frage „Wie kam durch Vermittlung der christlichen Missionare in China der sino-westliche Kulturaustausch zustande? Was haben die Missionare neben dem christlichen Glauben außerdem nach China gebracht, was haben sie wiederum von China rezipiert? Was für Werke haben sie geschrieben, mit welchen chinesischen Gelehrten haben sie zusammengearbeitet?“ Diese Fragen werden mittlerweile auch in China stark erforscht. Und auf diesem Fachgebiet sticht Monumenta Serica hervor – die Zeitschrift hat sich von Anfang an mit Missionsgeschichte befasst, weil sie von Missionaren gegründet wurde. Die Wissenschaft bleibt nicht stehen, und es gibt mittlerweile weltweit viel mehr Chinawissenschaftler als noch vor 50 Jahren. Außerdem kann man Chinas Bedeutung in der Welt heutzutage nicht mehr ignorieren – und das heutige China lässt sich kaum verstehen, wenn man seine Vergangenheit nicht kennt. Unsere Leserschaft ist größer geworden in den bald 90 Jahren des Bestehens der Zeitschrift. Zu sagen, dass es sich bei unserer Arbeit um eine reine Nischensache handelt, würde dem also nicht wirklich gerecht. In diesem Zusammenhang kann ich noch über ein aktuelles Projekt berichten, bei dem wir seit zwei Jahren mit der Boston University kooperieren, und zwar die „China Historical Christian Database“. Es handelt sich um eine große Datenbank zu Missionaren aller Orden in China von 1550 bis 1950. Dabei wird auf einer interaktiven Karte erfasst, wo Missionare gearbeitet haben und wie lange und mit welchen Tätigkeiten sie dort waren. Die 1.0 Version ist gerade online gegangen. Wir tragen Informationen über die historischen Aktivitäten der Steyler Missionare und Steyler Schwestern zu dieser Datenbank bei. Da es dazu bisher nur gedruckte Quellen gab, wird die SVD also im Rahmen dieses Internetprojektes in Zukunft viel präsenter sein, besonders für die Forschung. Das ist für die Darstellung nach außen durchaus wichtig.

Sie sind von Ihrer Arbeit begeistert, das kann man spüren!
Ja, mich fasziniert es weiterhin, in einem international ausgerichteten Institut mit einer wechselvollen Geschichte zu arbeiten. Und durch die Beschäftigung mit der reichen chinesischen Kultur lernt man immer wieder dazu, das ist eine ständige Weiterbildung. Wer sich für chinesische Kultur interessiert, könnte sich doch nichts Idealeres wünschen.

Interview: Renate Breuer
Fotos: Pater Václav Mucha SVD
und aus dem Archiv des Instituts

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