An der Seite der Armen

Deutschland

25. Nov 2021

Zur Ausbildung der Steyler Fratres gehört neben dem Theologiestudium eine praktische Erfahrung in den verschiedenen Projekten der Steyler Missionare. Eduardo und Duns standen zwei Wochen an der Seite der Armen in Berlin.

Jeden Sommer haben die Studenten der Steyler Ausbildungsgemeinschaft die Gelegenheit, einen pastoralen Ort kennenzulernen und dort ihre Erfahrungen zu machen. Sie können entweder eine Steyler Pfarrei oder einen anderen Dienstort auswählen. Das Praktikum dauert normalerweise zwei Wochen. 2021 haben wir, Duns und Eduardo, unser Praktikum in Berlin-Kreuzberg absolviert. Dort befindet sich eine neue Steyler Mission, die ganz bestimmte Schwerpunkte setzt.

Mit-Arbeiten

In Kreuzberg findet man eine Realität, die sich sehr unterscheidet von anderen Stadtteilen Berlins, obwohl das Viertel eigentlich im Zentrum Berlins liegt. Dort setzt man sich viel mit Armut, Drogen, Prostitution u. a. auseinander. Man kann sagen, dass man in Kreuzberg „Freude und Hoffnung, Trauer und Angst der Menschen von heute, besonders der Armen und Bedrängten aller Art“ (GS) erfahren und antreffen kann. Diese Realität war für uns unvorstellbar, besonders hier in Deutschland.

In der Kreuzberger Gemeinde, die für zwei Mitbrüder, Br. Bernd und Br. Emmanuel, und einen Benediktiner, P. Benno, eine besondere Mission bildet, bot Kreuzberg uns beiden eine unterschiedliche Erfahrung. Zuerst bot sie uns die Gelegenheit, zwei neue Mitbrüder kennenzulernen, miteinander zu leben und ein bisschen von ihrer missionarischen Arbeit zu erfahren. Und wir machten mit ihnen eine gute Erfahrung. Bei ihnen fühlten wir uns zuhause. Es war sehr beeindruckend, das tägliche Leben der Kommunität zu erleben. Bruder Emmanuel beschäftigt sich mit der missionarischen Arbeit in der Pfarrei. Ein Teilzeitjob, den er dreimal pro Woche macht, besteht Paketboten; Bruder Bernd arbeitet zurzeit bei Caritas Berlin, wird bald jedoch eine andere Stelle in einem Krankenhaus übernehmen. Wie die neue Gemeinde wird, daran arbeiten die Mitbrüder noch. Daher findet man nicht viel Komfort, wie man es in anderen Pfarreien vorfindet. Die Wohnung ist einfach und noch nicht ganz fertig. Deshalb schliefen wir auf Luftmatratzen auf dem Boden, wie auch unsere Mitbrüder, die dort wohnen. Aber Betten werden bald ankommen. Das Zusammenleben war sehr gut. Wir wurden freundlich empfangen, nicht nur von unseren Mitbrüdern, sondern auch von Pater Benno. Da es unser erstes Mal war, dass wir in Berlin waren, stellten Bernd und Emmanuel uns die Stadt vor und es war beeindruckend, diese Weltstadt kennenzulernen. Darüber hinaus knüpften wir Kontakt mit anderen Gemeinden, die auch herausfordernde Aufgaben leisteten.

Die zweite Erfahrung war das Leben in Kreuzberg. In Kreuzberg haben wir vor allem die Aufgabe, „dabei zu sein“. So haben uns unsere Mitbrüder Bernd und Emmanuel erklärt und wir haben dieses auch erfahren. Während der Woche gab es verschiedene Aufgaben: Der Tag begann immer mit einem gemeinsamen Gebet, das auch für die Mitglieder der Pfarrei offen war. Normalerweise kamen nicht sehr viele, trotzdem war das Gebet sehr tief und lebendig.

Wie andere große europäische Städte findet man in Berlin eine atheistische und agnostische Realität (von den rund 3,8 Millionen Berlinern waren im Juni 2021 13,7 % evangelisch, 8,0 % katholisch und 78,3 % gehörten anderen Konfessionen und Religionen an oder waren religionslos). Das macht unsere missionarische Arbeit zu einer echten Herausforderung. So sind wir als Steyler Missionare eingeladen, uns in jene Realität zu inkarnieren. Vielleicht sind gerade diese herausfordernden Orte die richtigen Orte, wo wir uns heute damit beschäftigten dürfen, denn „das Wort ist Fleisch geworden und hat unter uns gewohnt“ (Joh 1,14). Die Menschwerdung erinnert uns daran, dass die Bewegung aus Gott kommt. Er ist es, der zu uns kommt. Er wünscht unser Leben mit zu leben, es zu erfahren als Solidarität und Erlösung für die Menschheit, besonders mit und unter den Armen. „Wenn ihr Bedenken habt, haltet an der Seite der Armen fest!“ (D. Pedro Casaldáliga)

Die Pfarrei in Berlin-Kreuzberg bietet täglich Essen an, die Möglichkeit zu duschen und gesundheitliche Assistenz für die Obdachlosen (Zusammenarbeit mit der Caritas) oder für die Leute, die zwar manchmal eine Arbeit haben, aber deren Lohn nicht reicht, um zu überleben. Diese Sozialarbeit ist eine Partnerschaft mit den Schwestern der Barmherzigkeit. So gibt es eine gute Zusammenarbeit zwischen Ordensmännern und Ordensfrauen. Unsere Gemeinde hat die Verantwortung, jeden Mittwoch das Essen vorzubereiten: „Mittwoch-Café“ genannt. Für diese Arbeit haben wir immer die Hilfe von ungefähr 15 Freiwilligen. Wir waren zweimal dabei und es gefiel uns sehr. Dort fanden wir Leute aus verschiedenen Ländern und Kulturen (wie auch wir in unserer Gemeinschaft), mit dem Wunsch, ein besseres Leben in Deutschland zu finden. Diese Arbeit half uns zu verstehen, was es bedeutet, „dabei zu sein“, nicht weil wir eine Lösung für die verschiedenen Probleme von Kreuzberg finden wollten, sondern weil wir diese Menschen als Menschen sahen, ohne ethnische oder soziale Grenzen. Als wir uns mit einigen von ihnen unterhielten, konnten wir auch ihre Geschichte, ihren Glauben und ihre Familien kennenlernen, und auch die Gründe ihres Aufenthaltes in Berlin - und ihre Träume.

So bietet Kreuzberg ein prophetisches Dialogfeld an, wo wir als Steyler Missionare „eine Haltung von Solidarität, Achtung und Liebe“ leben können, „die all unser Tun durchdringen soll“ (GS 53), woran uns das Generalkapitel von 2006 erinnert.

Wir bedanken uns bei der Steyler Gemeinschaft in Kreuzberg und bei P. Benno für die Möglichkeit, diese Erfahrungen bei ihnen gemacht zu haben. Bleibt dieser Mission auch weiterhin treu!

Text und Fotos: Frater Duns Helbero SVD
Frater Eduardo Silva de Sousa SVD

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