Zwei Aufgaben, eine Mission

Deutschland

27. Okt 2021

Pater Moses ist ein Steyler Missionar, der aus Ghana stammt. In einem Interview erzählt er, was ihn bewegt, sich für die Menschen in Deutschland und auch in seiner Heimat Ghana einzusetzen.

Pater Moses ist ein Steyler Missionar, der aus Ghana stammt. Er ist Dozent an der Kölner Hochschule für Katholische Theologie und leitet die Stiftung Regentropfen, ein Projekt, das Bildung und Nachhaltigkeit in seinem Heimatland fördert.

Wer sind Sie, Pater Moses, was treibt Sie um?
Mein Name ist Moses Asaah Awinongya. Ich bin ein Mensch mit der Philosophie „das bessere Morgen beginnt im Traum von heute“. Das ist es, was mich umtreibt. Nach meinem Philosophiestudium und Noviziat legte ich 2001 meine Gelübde in Ghana ab und kam nach Deutschland. Wir lebten während des Studiums in einer großen Ausbildungsgemeinschaft aus vielen Nationen. Danach ging es für mich nach München, wo ich als Diakon und Kaplan in der Gemeinde St. Joachim in Obersendling von November 2005 bis Dezember 2006 tätig war. Danach war ich in verschiedenen Gemeinden als Kaplan und absolvierte gleichzeitig mein Promotionsstudium. 2012 kam ich nach Sankt Augustin zurück, um in der Lehre und Wissenschaft tätig zu sein. Das ist meine Hauptaufgabe. Daneben bin ich aber auch in der Stiftungsarbeit tätig.
Aber ich merke mehr und mehr, dass ich zurückkehre zu dem, was mich bewegt hat, Priester und Steyler Missionar zu werden. Und mein Beweggrund, Steyler zu werden, war und bleibt immer noch, Vater der Vaterlosen zu sein. Ich sage bewusst Vaterlose, nicht Waisen. Damit meine ich Menschen, die jemanden brauchen, dem sie vertrauen können, jemanden, der sie liebt, wie sie sind und der sie begleitet. Ich möchte sozusagen den Stimmlosen eine Stimme geben. In diesem Sinne leite ich auch seit 2009 die Stiftung Regentropfen für die Schulausbildung von Kindern und Jugendlichen mit Schwerpunkt in Nordghana.

Bepflanzung des Feldes

Was macht dieses Projekt „Stiftung Regentropfen“ aus?
Die Arbeit der Stiftung ermöglicht es jungen Menschen, eine Ausbildung oder ein Studium zu machen und eigenständig zu werden. Das Projekt befindet sich in einem Dorf im Norden Ghanas und umfasst eine Grundschule mit zurzeit 124 Schüler, die technische Schule und das Gymnasium (Internat) mit etwa 56 und die Hochschule mit 145 Studenten. Insgesamt unterstützen und fördern wir 285 Kinder und Jugendliche. Wenn ich „wir“ sage, meine ich das Team aus ehrenamtlichen Mitarbeiterinnen, die mich unterstützen. Vor Ort in Ghana sind es etwa 100 Mitarbeitende.

Wie finanzieren Sie das Projekt?
Wir sammeln Spenden und vermitteln Patenschaften hier in Deutschland. Corona macht sich natürlich negativ bemerkbar. Dauerspenden von etwa 10.000,-€ im Monat fließen in die Einrichtungen, aber jede zusätzliche Spende ist willkommen. Wir brauchen mindestens ca. 20.000€ im Monat für die Arbeit in Ghana. Kinder und Jugendliche, die keine Schützlinge sind, können bei uns Schulbildung oder Studium gegen Gebühren erhalten. Wer kein Geld hat, den fördern wir aber auch, damit er in Zukunft hoffentlich anderen Menschen helfen kann. All das kostet viel Geld, aber wir hoffen, dass in ein paar Jahren unser Angebot so gut angenommen wird, dass viele kommen und die Gebühren der Leute ausreichen werden, um zumindest die laufenden Kosten der Einrichtungen decken zu können.

Bepflanzung der Felder

Gibt es auch Schüler, die sich für das Ordensleben entscheiden?
Unser Standort in Ghana ist keine Niederlassung des Ordens. Der Orden spielt in gewisser Weise eine Rolle in dem Sinne, dass er mich unterstützt. Br. Lambert hat bei uns ein Praktikum gemacht und gleichzeitig studiert für die philippinische Provinz. Nach seinem Masterstudium ist er zurückgekommen, um uns zu helfen, während er seine Prüfung in Projektmanagement macht. Wir haben also Mitbrüder vor Ort. Wir hoffen auch, dass die Steyler Missionare uns einen Seelsorger schicken und dass vielleicht entsteht etwas, man weiß es nicht. Auf jeden Fall ist der Steyler Geist vor Ort spürbar. Natürlich, denn ich bin Steyler Missionar und es kommen auch Mitbrüder, um die Einrichtung zu besuchen. Man sieht, wer sie sind, was sie tun und Fragen kommen auf. Aber die Entscheidung für den Orden ist eine persönliche Sache.

Was bedeutet Ihnen das Ordensleben?
Ich denke, das Ordensleben muss Freude machen. Spaß ist mir zu wenig. Man muss Freude an seinem Dienst haben und aufstehen und weitermachen wollen, auch wenn man manchmal müde ist. Die wissenschaftliche Arbeit mache ich, weil der Orden sie mir aufträgt und das tue ich auch gerne. Ich bin gerne Lehrer, in vielerlei Hinsicht. Wenn man mir Arbeit gibt, bin ich dabei. Gleichzeitig bin ich gerne Vorstand der Arnold-Janssen-Stiftung und da geht es um den Dienst an den Menschen. Das Ordensleben für mich bedeutet, da zu sein wo man gebraucht wird, um Dienst an den Menschen zu leisten und ihnen Freude zu ermöglichen. Für mich ist es ein Widerspruch in sich, wenn ich als Ordensmensch mit einem traurigen Gesicht herumlaufe.

Was macht für Sie den Steyler Geist und die Steyler Spiritualität aus?
Das „Steylerische“ ist für mich „Leben fördern“. Wo der Mensch ist, da fühlen wir uns daheim, fühlen wir uns wohl. Das ist für mich „Steyler sein“, denn was hat Arnold Janssen dazu getrieben, überhaupt den Orden zu gründen? Nur aus Spaß? Nein! Es ging um den Menschen. Wenn man sagt Reich Gottes, ist das kein Vakuum. Das Reich Gottes wird von Menschen gefüllt. Es ging ihm um den Menschen und das ist das Entscheidende für mich.

Schulpause

Sie sind Mit-Herausgeber des Buches „Mit der Schöpfung Leben atmen“, worum geht es da?
Zum Thema Schöpfung und zu „Laudato si“ von Papst Franziskus hat Missio Aachen in Argentinien, Indien und Botswana Konferenzen durchgeführt. Letztere habe ich als Zuständiger für Afrika organisiert. Aus dieser Konferenz heraus ist dieses Buch für eine Missio Aachen-Reihe aus Beiträgen der Referentinnen und Referenten entstanden. Es geht um das Leben mit der Schöpfung oder um die Frage, was die Schöpfungsspiritualität in Afrika ist: aus der Sicht des Islams, des Christentums und der afrikanischen Religionen. Es geht darum, das Thema Schöpfung und den Umgang damit bewusster in den Mittelpunkt zu stellen. Man sollte schauen, dass etwas Konkretes geschieht. Ich meinerseits benutzte die Einrichtungen in Ghana, um konkreter etwas zu tun. Wir haben dieses Jahr allein mehr als tausend Bäume gepflanzt, die helfen sollen, den Menschen zu zeigen, wenn sie nichts tun, kommen sie nicht weiter mit ihrem Leben.

Ihr wissenschaftliches Fachgebiet ist die Dogmatik. Wie würden Sie mir als Laien das erklären?
Dogmatik prägt mein Leben schon sehr, weil ich normalerweise das unterrichte, wovon ich überzeugt bin. Dogmatik ist die Lehre der Kirche in verschiedenen Bereichen, zum Beispiel die Sakramentenlehre, aber auch die Schöpfungslehre. Ich habe aber auch die sogenannte Soteriologie, bei der es um Leben, Tod und Auferstehung Jesu, das Heil, geht, unterrichtet sowie die Eschatologie, die Lehre von den letzten Dingen oder einfach gesagt die Lehre vom Leben nach dem Tod, Endzeit. Es gibt aber auch andere Trakte wie die Gottes Lehre, Ekklesiologie usw. Wenn man diese Dinge ernst nimmt, kann man nicht einfach sagen, sie haben keine Bedeutung. Wenn man zum Beispiel sagt, die Kirche sei ein Sakrament, dann sind es auch ihre einzelnen Mitglieder. Was bedeutet es für mich, dass die Kirche ein Sakrament ist? Bin ich auch als Mitglied der Kirche ein Sakrament? Hat der Begriff auch Konsequenzen für mich und meinen Glaubensalltag?

Forschen in der Schule

Nun haben sich viele Dinge im Verständnis und in der Lehre gewandelt. Könnte es sein, dass wir manche Dinge auch heute noch falsch verstehen?
Ja, zum großen Teil ja. Manchmal kommt man ins Gespräch mit Menschen und erklärt etwas und sie fragen erstaunt: Das gibt´s? Die meisten wissen ja nicht, was im zweiten Vaticanum steht, obwohl der Begriff allen bekannt ist. Sie haben die Dokumente nicht gelesen, die aus dem Konzil entstanden sind. Und leider Gottes ist es so, dass manche Dinge, die man in der Presse hört oder liest, oder als Kind gelernt hat, von früheren Konzilien sind. Wenn man aber fragt, was die Kirche heute dazu sagt, kommt keine Antwort.

Die Dogmatik entwickelt sich demnach?
Ja, sie entwickelt sich, rasant. Es gibt immer noch das Fundament, aber das Gebäude wird immer neugestaltet. Neue Räume werden kreiert. Jeder will ja auch sagen, dass seine Sicht die beste ist, aber was ist die gemeinsame Basis und wie kommen wir damit weiter? Man muss miteinander reden. Und das ist dann eben das Interessante, dass die Dogmatik ja lebendig ist. Es gibt Dogmen, die die Kirche festgelegt hat. Aber das ist nicht etwas, das man in den Kühlschrank legt und rausholt, wenn man es braucht und wieder hineintut. Manche sagen ja, wir müssen den Glauben bewahren. Nein, das brauchen wir nicht. Ich sehe es anders, wir müssen den Glauben leben und nicht bewahren. Wer den Glauben bewahrt, verliert ihn. Er ist dann irgendwann mal veraltet und kein Mensch will ihn haben. Aber wenn man den Glauben lebt, nimmt man auch den Menschen mit und dann merkt man, Gott geht mit seinem Volk.

Moses ist ein starker Name, berühmt und doch selten. Hat Ihr Name Sie geprägt?
Ja, ich habe den Namen angenommen, als ich in der fünften Klasse war. Ich habe ihn ausgewählt. Mein Großvater gab mir den Namen Anyoka. Moses ist mein Taufname. Ich bin erst mit 16 getauft worden. Durch die Geschichten der Jugendbibel habe ich Moses kennenglernt. Seine Persönlichkeit hat mir imponiert. Ich wusste nicht, was aus mir wird, aber damals wollte jeder einen christlichen Namen haben. Andere Namen wie Daniel und so waren schon wichtig, aber Moses war für mich besonders. Jahrelang war ich der einzige in der Schule und im Dorf, der so hieß. Und ich merke, dass der Name irgendwie auch Konsequenzen hat … (P. Moses lacht)

Text: Renate Breuer
Fotos: Aus dem Steyler Archiv

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