27. Feb 2020
Im Interview mit der Zeitschrift stadtgottes spricht Christoph Heubner über seine Arbeit und den erstarkenden Antisemitismus in Deutschland. (Foto: Markus Nowak)
Christoph Heubner ist geschäftsführender Vizepräsident des Internationalen Auschwitz Komitees und seit Jahrzehnten in der Aufarbeitung der Unrechtstaten während des Nationalsozialismus engagiert. Mit der katholischen Monatszeitschrift stadtgottes sprach er über seine Arbeit und das aktuelle Erstarken rechter Tendenzen in Deutschland.
„Ich vermag Ihnen auch keine Erklärung dafür zu liefern, warum Menschen, die sich kollegial, freundschaftlich verbunden waren, als Nachbarn oder gemeinsam einen Sportverein aufgebaut haben oder nebeneinander in der Gemeindevertretung saßen, sich plötzlich haben verwandeln lassen – in mit den Zähnen fletschende Rudel. Das ist bis heute entsetzlich“, so Hübner zur Frage, warum damals niemand „Nein“ gesagt habe, als die Nationalsozialisten ihre Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen haben. „Das ist eigentlich eine totale Niederlage der bürgerlichen Welt.“
Im Erstarken rechter Tendenzen in Deutschland, Europa und der Welt sehe er, dass „es Anfänge sind“. Es gebe viele Versuche etwas dagegen zu tun. Es gebe Sensibilität. „Dennoch gibt es trotzdem immer das Böse, das überall sein Haupt erhebt“, so Hübner. „Wenn Sie selber nicht betroffen sind, ist das zwar ein Problem, aber es brennt Ihnen nicht auf den Nägeln.“ Daher müsse das Bewusstsein sensibilisiert und geweckt werden.
Ihn erschüttere, dass Überlende der Vernichtungslager
heutzutage mitbekämen, dass sich das gesellschaftliche Klima wandle. „Was muss
in dem Menschen vorgehen, wenn er sieht, wie sich die Koordinaten jetzt wieder
verschieben?“ Das Reden über die „gefestigte Demokratie“ sei lediglich ein
Mantra. „Es gibt eine einfache Wahrheit, die der Auschwitz-Häftling Primo Levi
im jüdischen Block an die Wand geschrieben hat: ‚Es ist geschehen, und folglich
kann es wieder geschehen: Darin liegt der Kern dessen, was wir zu sagen haben.‘
Das ist die einfache Wahrheit, die wir weiterverbreiten müssen.“
Text: Nils Sönksen