24. Okt 2020
Ein internationaler Workshop zu Befreiungstheologie behandelte das Verständnis von Klimagerechtigkeit und das entsprechende soziale Handeln.
Gut 60 TeilnehmerInnen beschäftigten sich vom 22. bis zum 24. Oktober mit der Frage, wie man Klimagerechtigkeit verstehen und umsetzen kann. Es handelte sich dabei um einen akademischen Workshop zur Befreiungstheologie im europäischen Kontext, der vor allem von der Katholischen Universität Leuven (Zentrum für Befreiungstheologien) zusammen mit anderen Universitäten und dem Steyler Missionswissenschaftlichen Institut vorbereitet worden war und virusbedingt im virtuellen Raum abgehalten wurde.
Wie bei solchen Workshops üblich wurden in intensiver und
kurzer Zeit Aufsätze und Vorträge diskutiert, die schon vorher von den
Teilnehmenden studiert und bearbeitet worden waren. Der Fokus dieser
befreiungstheologischen Themen lag auf dem Verständnis und den Handlungsrichtungen
im Zusammenhang mit Klimawandel und der Gerechtigkeit vor allem den
ausgebeuteten und marginalisierten Menschen und Völkern, aber auch der Natur
und Schöpfung selbst gegenüber. Über die Vorträge und Aufsätze hinaus kamen
wesentliche Beiträge auch von sozialen Bewegungen, die im Klimaschutz und im
Protest gegen die Umweltverschmutzung arbeiten.
So wurde zum Einstieg eine Dokumentation über die Protestbewegungen in Garzweiler am Braunkohletagebau gezeigt. Dabei stellte sich heraus, dass etwa als Konsequenz der Einstellung des Braunkohlabbaus dort auf Steinkohle aus Kolumbien ausgewichen wird – Entscheidungen in Deutschland haben unmittelbare Auswirkungen auf Kolumbien, und dort werden Wiederstände und Proteste gegen die Umweltzerstörung unmittelbar mit Mord und der Zerstörung von Kulturen und Zivilisationen (wie etwa des Wayú-Volks) beantwortet.
Auf diese Weise wurde einem Grundanliegen von Befreiungstheologien Rechnung getragen: von konkreten Situationen von Leid, Kampf und Widerstand auszugehen und in Zusammenarbeit mit sozialen Bewegungen auch theologisch an einer gesellschaftlichen Veränderung zu arbeiten.
Die Fragestellungen des Workshops brachten unmittelbare
Beziehungen zu Grundanliegen der Steyler Missionare zum Vorschein, die zum Beispiel auch „Gerechtigkeit,
Frieden und die Bewahrung der Schöpfung“ (GFS) auf ihre Fahnen geschrieben
haben. So wurde zum Beispiel gefragt, ob man weiterhin darauf setzen soll, dass
der Mensch mit seinen technologischen Fähigkeiten die Umweltzerstörung und die
Bedrohungen durch den Klimawandel in den Griff bekommen wird (eine
Grundzuversicht unserer modernen Zeit – die sich allerdings oft als fatale
Fehleinschätzung erweist) oder ob man einen anderen Zugang zu Natur und Schöpfung
suchen soll, in dem sich der Mensch deutlicher und bescheidener als (kleiner) Teil
in einem Gesamtzusammenhang verstehen und bescheiden soll. Klar wurde auch die
Forderung nach einem bescheidenen Leben, das seinen Sinn nicht im Konsumrausch
sucht. Vielfache Aussagen von Papst Franziskus zu einer solcher
Lebensgestaltung und gesellschaftlichen Ausrichtungen gehen durchaus in die gleiche
Richtung.
Der Workshop musste digital stattfinden – auch ein Symbol für die Zusammenhänge, denn es ist ein winziger Virus, der weitgehende soziale Folgen hat und die Verbindungen in der Schöpfung zeigt, in die wir Menschen hineingestellt sind.
Für die meisten TeilnehmerInnen war es die Erfahrung mit der digitalen Plattform des Workshops eher neu, aber sie hat schlussendlich für die meisten sehr gut funktioniert: die Programme sind nicht abgestürzt, man konnte sich auch zwanglos für einen „Tratsch“ und Austausch treffen, über die formellen Diskussionen hinaus.
Dieser Workshop steht in einer Reihe von Veranstaltungen seit 2008, als in St. Gabriel (Österreich) über die Bedeutung von Befreiungstheologie im deutschsprachigen Raum verhandelt wurde. Die Steyler Missionare sind von Anfang an bei diesen Workshops und Symposien engagiert. Die vorigen fünf Workshops bis 2018 in Löwen fanden auf Deutsch statt, dieser letzte jetzt virtuell und auf Englisch. Der nächste Workshop der Reihe wird für Oktober 2021 in Salzburg geplant.
Christian Tauchner SVD