„Mission impossible“

29. Jul 2020

Stellungnahme des Steyler Missionswissenschaftlichen Instituts zur Instruktion über die Pfarreien und ihrem Unverständnis von „Mission“.

Die vatikanische Instruktion über die „pastorale Umkehr der Pfarrgemeinde im Dienst an der missionarischen Sendung der Kirche“ enthält zahlreiche leere Lippenbekenntnisse zu einer Mission, die sich als theologisch uninformiert, veraltet und überholt, im Wesentlichen inhaltsleer und in gelegentlichen praktischen Anwendungen peinlich darstellt.

Die oft richtig erkannten sozialen Umwälzungen müssten zu einem veränderten Umgang mit den Pfarreien und Gemeinden führen. Das wird aber durch die unvermittelte Wiederholung kirchenrechtlicher Vorgaben prinzipiell unmöglich gemacht. Damit wird auch die vorgeblich missionarische Sendung der Kirche in den Pfarreien ihres Sinnes beraubt und letztlich verhindert.

Damit verkommt die Instruktion zu einer unverständlichen Aufzählung längst vorhandener kirchenrechtlicher Vorschriften, die von der gesellschaftlichen Wirklichkeit der Gemeinden weitestgehend überholt sind und nicht einmal von den Klerikern in der Kirche fortgeführt werden können. Durch die Verunmöglichung von Mission als kreativem und provokativem Mitleben der Christen in der Gesellschaft wird durch so eine Instruktion die Kirche als Volk Gottes nachhaltig beschädigt.

Im Detail:
Die Instruktion gibt vor, angesichts der „bedeutsamen sozialen und kulturellen Veränderungen der vergangenen Jahrzehnte“ (#1) eine „pastorale Umkehr im missionarischen Sinn“ (#2) zu suchen. Indes wird oft das Wort Mission, missionarischer Sinn, missionarische Sendung usf. verwendet, vielfach aus Zitaten von Papst Franziskus, ohne dass klar würde, was damit konkret gemeint sein könnte – wahrscheinlich soll damit ein dichter Weihrauchvorhang die Dolche der Verfasser gegen eine Veränderung in der Kirche, für die sich der Papst vielfach einsetzt, verdecken.

In diesem Zusammenhang der Zitate ist es auffällig, dass die Enzykliken von Ecclesiam suam bis Christus vivit allesamt und durchgehend als „Mahnschreiben“ bezeichnet werden: Offensichtlich können die Verfasser der Instruktion Evangelii nuntiandi, Evangelii gaudium und Laudato si‘ nur als Ermahnung und Bedrohung verstehen; selbst wenn es sich dabei um eine Freudsche Fehlleistung handeln sollte, ist sie erhellend (in anderen Sprachen wird an den entsprechenden Stellen der Instruktion von „Exhortation“, „Apostolisches Schreiben“ usw. gesprochen).

Ein Grundproblem der Instruktion liegt darin, dass sie zwar an mehreren Stellen (##1, 8-10, 18-20) die aktuelle Situation von Pfarreien und Gemeinden gut beschreibt, aber durch den Sprung zurück in die unabänderlichen Verordnungen des Kirchenrechts diese Tatsachen nicht beachtet werden dürfen. Dadurch wird auch die Anrufung der „Zeichen der Zeit“ (#13-14, 109) als Ausweis der Treue zum II. Vatikanischen Konzil verraten und sinn-los.

Ein weiteres Grundproblem der Verfälschung des Konzils liegt in der Relektüre von Lumen Gentium von der Hierarchie her (LG, Kap. 3), was andererseits bei der Kleruskongregation secundum naturam geschieht, aber das Volk Gottes (LG, Kap. 2, nr. 9-17) nicht als funda-mentale Wirklichkeit und Subjekt in der Kirche begreift. Von daher ergeben sich gravie-rende Fehleinschätzungen: „Das Ziel der Mission und Evangelisierung der Kirche ist stets das Volk Gottes als Ganzes“ (#27), während seit dem Konzil klar sein könnte, dass „die pilgernde Kirche ihrem Wesen nach missionarisch ist“ (AG 2), das Volk Gottes also nicht Ziel der Mission ist, sondern an der Mission Gottes teilhat und mitwirkendes Subjekt der Mission ist. Diese fehlstrukturierte Beschreibung aus #27 steht übrigens nicht im Abschnitt über die Mission (IV, ##16-26), sondern folgt erst nachher. Ähnliche falsch ausgerichtete Beziehungen werden zwischen Globalisierung und Ortsgebundenheit hergestellt (#8: nicht die globalisierten Beziehungen des Menschen sind ein Dorf, sondern selbst ein Dorf ist jetzt global ausgeweitet; wenn also folglich, in #9, die Bindungen an einen Ort geschwunden sind, ist es „offenkundig“ [#10], dass die Pfarrei als Ort oder Leuchtturm, in #12, nicht mehr denkbar ist).

Die expliziten Ausführungen über Mission (IV) beginnen mit einer richtigen Beschreibung der Gegebenheiten, um die Folgerungen wieder völlig rückwärtsgewandt zu prädeterminieren, da „das Territorialprinzip auf der kanonischen Ebene weiterhin uneingeschränkt gilt“ (#16). Die Wunschvorstellungen von einer auf Menschen bezogenen Evangelisierung, Solidarität und Ausrichtung am Wort Gottes bis hin zur Behauptung, die Eucharistie sei „Quelle und Höhepunkt des ganzen christlichen Lebens“, werden weitergeführt mit der Ermutigung zu einem offenen Blick auf den sozialen und geistigen Kontext der Gemeinden. Auch die „Kultur der Begegnung“ für „den Dialog, die Solidarität und die Offenheit gegenüber allen“ (#25) wird erwähnt, dann aber mit dem Verständnis der „Pfarrei als einem »Ort«“ wieder aufgehoben. Die zahlreichen und schönen Verweise auf Papst Franziskus täuschen, weil der Papst seinen Sichtweisen immer einen deutlich anderen Sinn gibt, der sich auf Gemeinschaft, Bewegung, Hinausgehen und Erneuerung im Kontakt mit dem Kontext bezieht. Eine Ausrichtung von Kirche und Mission auf das Reich Gottes kommt nicht in den Blick (es wird überhaupt nur in #85 und #109 in Papstzitaten erwähnt).

In diesem missiologischen Abschnitt kommt zusätzlich die Kriegssprache peinlich überkommener Missionsauffassungen zum Vorschein: „missionarische Durchschlagskraft“ (#17); #30 sieht Wallfahrtsorte als „echte missionarische Vorposten“: an ihnen wird u.a. die „Zuwendung zu den Armen“ möglich. Die Armen sind durchgehend nicht Subjekte kirchlichen Handelns, sondern Objekte der „Zuwendung“ (##30, 32, 40, 117). Von einer „Option für die Armen“, die die Armen als Subjekte ernst nimmt, ist keine Rede (dagegen #33, wo Franziskus zitiert wird, dass die Armen die Pfarrgemeinde evangelisieren). #115 schließlich kann der Bischof „in Erwägung ziehen, pastorale Zentren […] wie »Missionsstationen« zu errichten, […] um die Evangelisierung und die Caritas zu fördern“, und sie dem „Ortspfarrer“ zu unterstellen. „Solche Zentren können missionarische Vorposten werden, die […] Werke der Nächstenliebe zugunsten der Armen, Bedürftigen und Kranken unter Einbeziehung der Zusammenarbeit mit Gottgeweihten“ (#117; meine Hervorhebungen) gewährleisten. Hier übrigens findet sich auch eine der sehr seltenen Erwähnungen von Religiosen. Von einer Kirche, die ihrem Wesen nach missionarisch ist, kann dabei keine Rede sein.

Eine Mission, die sich schwungvoll, dynamisch (#11, 19) und kreativ (#1, 29, 122) in die starren Strukturen kirchenrechtlicher Orts- und Hierarchiebezogenheit verfestigen soll, ist die wesenhafte Verneinung ihrer selbst und eine unerlösliche „mission impossible“.


Christian Tauchner SVD
Direktor

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